Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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empirischen Sozialforschung über diese Einstellungen und Vorurteile sind nicht<br />
selbst Wertungen, son<strong>der</strong>n Tatsachenaussagen.<br />
Noch in einem an<strong>der</strong>en Sinne kann die Wissenschaft Werturteile zu ihrem<br />
Gegenstand machen. Oben haben wir nur davon gesprochen, dass Werturteile gefällt<br />
werden und dass man dabei auf epistemische, moralische o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Werte Bezug<br />
nimmt. Die Wissenschaft kann nun auch beschließen, bestimmte epistemische o<strong>der</strong><br />
moralische Werte selbst zu diskutieren. Dies macht sie dann allerdings nicht mehr als<br />
empirische Wissenschaft. In diesem Punkt hat Max Weber Recht, wenn er sagt, dass<br />
empirische Wissenschaft nicht lehren kann, was man soll (wobei er vor allem an politische<br />
und weltanschauliche Fragen dachte). Durch empirische Untersuchungen<br />
kann man nicht herausfinden bzw. nachweisen, dass z.B. Wissenschaftler in ihren<br />
Berichten die Wahrheit sagen sollten, und auch nicht, dass z.B. Theorien falsifizierbar<br />
sein sollten. Die empirische Wissenschaft kann solche Werte akzeptieren o<strong>der</strong> nicht,<br />
sie bilden eine Voraussetzung für ihre Tätigkeit. Wissenschaftler können allerdings<br />
beschließen, über die Voraussetzungen ihrer Tätigkeit zu reflektieren. In diesem<br />
Augenblick unterbrechen sie ihre Tätigkeit <strong>der</strong> empirischer Forschung. Was tun sie<br />
statt dessen? Nun, wenn sie über epistemische Werte reflektieren, etwa darüber, ob<br />
Theorien falsifizierbar o<strong>der</strong> ob Erklärungen stets deduktiv sein sollten, dann<br />
betreiben sie Methodologie (Wissenschaftstheorie im engeren Sinne). Wenn über moralische<br />
Fragen <strong>der</strong> Wissenschaft, z.B. über die Verantwortung <strong>der</strong> Wissenschaft im<br />
Verwertungszusammenhang o<strong>der</strong> über Betrug in <strong>der</strong> Wissenschaft reflektiert wird,<br />
dann handelt es sich um Wissenschaftsethik. Empirische Wissenschaftler selbst wenden<br />
sich solchen Voraussetzungen ihres Tuns eher im Ausnahmefall zu, normalerweise<br />
sind sie mit ihrem eigentlichen Gegenstand befasst und nehmen diese Voraussetzungen<br />
als Selbstverständlichkeit. Wissenschaftsphilosophen hingegen machen es<br />
sich zur Hauptaufgabe, die epistemischen und (früher weniger, inzwischen zunehmend)<br />
moralischen Werte <strong>der</strong> Wissenschaft zu untersuchen.<br />
12.4 Zur rationalen Diskutierbarkeit von Werten<br />
Empirische Fragen können durch die hypothetisch-deduktive Methode angegangen<br />
werden. Man bildet Hypothesen und setzt sie empirischen Prüfungen aus. Wir haben<br />
gesehen, dass die empirischen Ergebnisse niemals ein völlig eindeutiges Urteil über<br />
die Hypothesen erzwingen. Durch weitere Prüfung kann man jedoch zu zeigen versuchen,<br />
dass zunehmend mehr für o<strong>der</strong> gegen die jeweilige Hypothese spricht. Und<br />
was die Ebene <strong>der</strong> Beobachtungen selbst angeht, so wird man sich über kurz o<strong>der</strong><br />
lang einig. Wissenschaftler streiten sich nicht endlos darüber, ob <strong>der</strong> Zeiger eines<br />
Messinstruments zwischen den Ziffern 3 und 4 o<strong>der</strong> zwischen den Ziffern 4 und 5<br />
steht. Und wenn die Frage auftaucht, ob eine bestimmte Versuchsperson einen<br />
Punktwert von 15 o<strong>der</strong> 16 hat, so kann man nochmals die angekreuzten Antworten<br />
durchsehen und sich dadurch einig werden.