Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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und es gilt das Gesetz: Auf ein Ereignis vom Typ A folgt stets ein Ereignis vom Typ<br />
B.<br />
Wenn hier und im folgenden von „Gesetzen” die Rede ist, so sind immer Aussagen<br />
gemeint, die sagen, was <strong>der</strong> Fall ist, und niemals normative Gesetze, die sagen, was<br />
<strong>der</strong> Fall sein sollte. Es sind also auch keine juristischen Gesetze gemeint, eher das,<br />
was man „Naturgesetze” nennt. Bei dem Begriff „Naturgesetz” denken jedoch viele<br />
an die Naturwissenschaften im engeren Sinne, während „Gesetz” sich hier auch auf<br />
sozialwissenschaftliche Gesetze beziehen soll.<br />
Dieses Verständnis von Ursächlichkeit o<strong>der</strong> Kausalität wird nun herangezogen, um<br />
festzulegen, was eine Erklärung ist. Am Beispiel:<br />
Hans hat 100 Gramm weißen Knollenblätterpilz gegessen.<br />
Für alle Personen x gilt: Wenn x 100 Gramm von dem weißen<br />
Knollenblätterpilz isst, dann führt dies zu einer schweren Vergiftung.<br />
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Hans hat sich eine schwere Vergiftung zugezogen.<br />
Unter dem Strich steht das Explanandum, das ist die Aussage, die das zu erklärende<br />
Ereignis beschreibt. Über dem Strich stehen die zur Erklärung dienenden Aussagen,<br />
das Explanans. Wir sehen, dass diese erklärenden Annahmen eine singuläre Aussage<br />
enthalten, eine Aussage, die sich darauf bezieht, was hier und jetzt <strong>der</strong> Fall ist.<br />
Singuläre Annahmen in Erklärungen nennt man auch Anfangsbedingungen. Zum<br />
an<strong>der</strong>en enthält das Explanans eine Gesetzesaussage. Diese bezieht sich nicht nur<br />
darauf, was hier und jetzt passiert, son<strong>der</strong>n auf alle Fälle einer bestimmten Art. Es<br />
handelt sich um eine allgemeine (o<strong>der</strong> universelle) Aussage.<br />
Betrachten wir nun ein Beispiel aus <strong>der</strong> Sozialpsychologie. Folgendes ist passiert: Als<br />
<strong>der</strong> achtjährige Klaus heute nach Hause kam, war er ungewöhnlich gereizt und<br />
aggressiv zu seiner Mutter, und zwar ohne für die Mutter erkennbaren Anlass. Diese<br />
fragt Klaus’ Schwester, die in <strong>der</strong>selben Schulklasse ist und erfährt, dass zwei<br />
Freunde von Klaus ihn auf dem Heimweg geärgert haben und gesagt haben, sie<br />
wollten sich am Nachmittag ohne ihn treffen. Die Mutter kann die Situation nun<br />
verstehen: Sie weiß, dass so etwas frustrierend ist und dass Frustration häufig zu<br />
aggressivem Verhalten führt, das sich oft auch gegen an<strong>der</strong>e Personen richtet, die gar<br />
nichts mit <strong>der</strong> Frustration zu tun haben. Wie kann man nun das rekonstruieren, was<br />
die Mutter denkt, um die Situation zu verstehen? Wir benötigen diesmal zwei Gesetze: