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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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kann. Ohne Falsifikationsmöglichkeit gibt es auch diesen Erkenntnisfortschritt nicht.<br />

Soweit die Kritik an Popper.<br />

Dies bedeutet nun allerdings nicht, dass die hypothetisch-deduktive Methode<br />

aufgegeben werden muss. Was genau ist durch die Kritik gezeigt worden? Es ist<br />

gezeigt worden, dass es keine völlig gesicherten Falsifikationsentscheidungen geben<br />

kann. Man kann sich nicht nur täuschen, wenn man eine Hypothese o<strong>der</strong> Theorie als<br />

wahr akzeptiert. Man kann sich auch darin täuschen, dass eine Hypothese falsch ist,<br />

zu <strong>der</strong> eine Untersuchung ¬P als Resultat erbracht hat. Falsifikationsentscheidungen<br />

sind fehlbar und revidierbar, ebenso wie Hypothesen selbst.<br />

Aber vielleicht sind für Bewährung und für einen Erkenntnisfortschritt gar keine<br />

völlig sicheren Falsifikationsentscheidungen notwendig. Vielleicht genügen dazu<br />

Falsifikationsentscheidungen, die zwar prinzipiell revidierbar, jedoch nach jeweiliger<br />

Lage <strong>der</strong> Dinge dennoch gerechtfertigt sind. Wenn die Annahmen, die zu HW<br />

gehören, als bewährt gelten können, dann kann man argumentieren: Zur Prüfung<br />

von H setzen wir gewisse bewährte Annahmen voraus. Diese sind zwar nicht völlig<br />

gesichert, da prinzipiell alles fehlbar ist, aber es ist nichtsdestoweniger gerechtfertigt,<br />

HW vorläufig als wahr zu akzeptieren. Und aus diesem Grund ist jetzt gerechtfertigt,<br />

H als falsifiziert zu betrachten. Diese Entscheidung kann grundsätzlich wie<strong>der</strong><br />

revidiert werden, wenn es jemals Hinweise darauf geben sollte, dass in HW ein<br />

Irrtum enthalten ist.<br />

In Bezug auf das Untersuchungsbeispiel könnte man z.B. die Annahme O 1 dadurch<br />

überprüfen, dass man vor <strong>der</strong> Untersuchung durch Gespräche mit den Jugendlichen<br />

klärt, ob sie sich auf den Theaterbesuch freuen o<strong>der</strong> nicht. Und während <strong>der</strong><br />

Untersuchung könnte man durch eine Zwischenfrage ermitteln, ob jemand etwas<br />

dagegen hätte, wenn <strong>der</strong> Theaterbesuch ausfällt. Beachten Sie, dass auch bei solchen<br />

Prüfungen einer Operationalisierungsannahme wie<strong>der</strong>um weitere Annahmen<br />

stillschweigend vorausgesetzt werden, sei es auch nur, dass die Jugendlichen<br />

verstehen, was man sie fragt und bereit sind, ihre tatsächliche Meinung dazu zu<br />

äußern. Aber grundsätzlich lassen sich durch ein solches Vorgehen Operationalisierungen<br />

prüfen und gegebenenfalls rechtfertigen.<br />

Was das Erfassen von Aggression angeht, so handelt es sich hier um das Problem,<br />

wie man durch einen Fragebogen o<strong>der</strong> Test eine bestimmte Größe messen kann. Ein<br />

ähnliches Problem ist gegeben, wenn man Leistungsmotivation o<strong>der</strong> Intelligenz zu<br />

messen versucht. Wenn ein Messverfahren das misst, was es messen soll, gilt es als<br />

valide. In den <strong>Sozialwissenschaften</strong> gibt es verschiedene Methoden, um die Validität<br />

eines Messverfahrens zu ermitteln. Die Prüfung und Rechtfertigung <strong>der</strong> Annahme O 2<br />

läuft also auf ein Problem <strong>der</strong> Validierung eines Messverfahrens hinaus.<br />

Letztlich lassen sich Falsifikationsentscheidungen also doch rechtfertigen, wenn sie<br />

auch mit einem Rest an Ungewissheit behaftet sind, ob die Annahmen in HW<br />

stimmen.

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