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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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nichts zu sagen vermag. Danach ist die Wissenschaftstheorie nur zuständig für die<br />

Fragen, wie man eine bereits gegebene Hypothese prüfen, kritisieren o<strong>der</strong> begründen<br />

kann. Sie ist nicht zuständig für die Frage, wie man zu Hypothesen gelangt. Die erste<br />

Problematik nennt man auch den Begründungszusammenhang, die zweite den<br />

Entdeckungszusammenhang. Für Letzteren sei die Psychologie, vor allem die Denkpsychologie<br />

zuständig.<br />

Es ist häufig kritisiert worden, dass die Wissenschaftstheorie den Entdeckungszusammenhang<br />

völlig ausblenden will. Und mittlerweile gibt es auch einige Wissenschaftstheoretiker,<br />

die eine strikte Trennbarkeit zwischen Entdeckung und<br />

Begründung bezweifeln und die Möglichkeit sehen, Empfehlungen auch für die<br />

Entdeckungsproblematik zu geben. Fragen wir zunächst, welche Gründe zu <strong>der</strong><br />

strikten Trennung und <strong>der</strong> Zurückhaltung in Bezug auf die Hypothesenfindung<br />

geführt haben. Der Hauptgrund ist <strong>der</strong>, dass die Erfindung und Entwicklung von<br />

Hypothesen und Theorien durch kreative Akte geschieht und es für Kreativität in<br />

einem gewissen Sinne keine Rezepte gibt. Erinnern Sie sich an die Anekdote, dass<br />

Newton die Idee mit <strong>der</strong> Gravitation gekommen sein soll, als ihm ein Apfel auf den<br />

Kopf fiel? Und Kekulé hat angeblich die chemische Formel für das Benzolmolekül<br />

(ringförmige Kopplung <strong>der</strong> Kohlenstoffatome) dadurch gefunden, dass die aus dem<br />

Kaminfeuer in bogenförmigen Bahnen geschleu<strong>der</strong>ten Funken ihn an eine sich in den<br />

Schwanz beißende Schlange denken ließen. Wie könnte man so etwas planen? Die<br />

einen haben vielleicht kreative Einfälle, wenn sie am Strand spazieren gehen, die<br />

an<strong>der</strong>en, wenn sie sich durch Musik entspannen. Vielleicht kann je<strong>der</strong> für sich<br />

herausfinden, was seine Phantasie in günstiger Weise beeinflusst, aber kann es hier<br />

so etwas wie eine allgemeingültige Methode geben? Helmholtz meinte, dass<br />

„körperliche Frische und ruhiges Wohlgefühl” eine gute Voraussetzung für eine Idee<br />

seien. Poincaré berichtete, dass ihm zweimal Einfälle in Situationen <strong>der</strong> Entspannung<br />

gekommen seien, einmal während eines Ausflugs und einmal an <strong>der</strong> Meeresküste;<br />

aber er erinnerte sich auch an Einfälle in Situationen <strong>der</strong> Anspannung.<br />

Eine exakt beschreibbare Methode, die das Auffinden von Gesetzen garantiert, gibt<br />

es bisher offenbar nicht, denn sonst könnten ja viele Leute, die sich mit Wissenschaft<br />

befassen, in unbegrenzter Zahl Gesetze entdecken. Tatsächlich ist es aber so, dass es<br />

nur wenigen je gelingt. Und selbst denen, denen es einmal gelungen ist, gelingt es<br />

selten ein weiteres Mal. Einstein beispielsweise hat ein paar fundamentale<br />

Entdeckungen gemacht, danach aber im Lauf eines langen Forscherlebens keine<br />

mehr. Manche Philosophen, z.B. John Stuart Mill, meinten, dass die induktive<br />

Methode zu Gesetzen führen würde. Aber Mill selbst, <strong>der</strong> dies behauptete, hat kein<br />

Gesetz entdeckt! Dies spricht nicht sehr für seine Auffassung.<br />

So ungefähr argumentieren diejenigen, die das Auffinden guter Hypothesen als<br />

etwas ansehen, wofür keine Regeln gefunden werden können und wozu die<br />

Wissenschaftstheorie daher auch nichts zu lehren vermag. Aber vielleicht ist diese

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