Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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schungsproblem kann sich z.B. dadurch ergeben, dass neu entdeckte Fakten gegen<br />
eine Theorie sprechen, so dass die Experten nun dazu aufgerufen sind, herauszufinden,<br />
ob <strong>der</strong> Fehler in <strong>der</strong> Theorie o<strong>der</strong> in den Hilfsannahmen liegt. Die Problemwahl<br />
ist aber auch abhängig von persönlichen Interessen. Epistemische Kriterien allein<br />
können nicht festlegen, ob man sich z.B. eher mit <strong>der</strong> Entstehung des Universums,<br />
mit <strong>der</strong> minoischen Kultur o<strong>der</strong> mit Fragen des Führungsstils in Betrieben beschäftigen<br />
soll. Karrierechancen, finanzielle Anreize spielen eine Rolle, und nicht zuletzt<br />
<strong>der</strong> Umstand, dass sich Forscher einfach zu bestimmten Gebieten und Themen hingezogen<br />
fühlen. Sie besitzen für das jeweils gewählte Gebiet eine Neugier, ein persönliches<br />
Erkenntnisinteresse. Ein „Forschungsdrang” dieser Art ist für die meisten<br />
Menschen nicht leicht nachzuvollziehen. Zwar gibt es ein allgemeines Interesse an<br />
vielen Gebieten <strong>der</strong> Wissenschaft, aber die interessierten Laien wollen es dann letztlich<br />
doch nicht so genau wissen, wie es in <strong>der</strong> Fachliteratur dargestellt wird. Dass<br />
sich jemand lebenslang z.B. mit einer höchst speziellen physikalischen Frage o<strong>der</strong><br />
mit einer bestimmten Insektenart beschäftigt, dies ist den meisten Menschen unvorstellbar.<br />
Die mo<strong>der</strong>ne Wissenschaft, was immer man von ihr hält, gibt es jedoch nur,<br />
weil einige ein solches hochgradig spezialisiertes Forschungsinteresse entwickelt haben.<br />
Sollen im Entstehungs- und Verwertungszusammenhang moralische Werte eine Rolle<br />
spielen? Diese Frage kann eindeutig bejaht werden. Immer wenn das Forschungsproblem<br />
o<strong>der</strong> Verwertungsinteresse moralische Aspekte hat, sind die Wissenschaftler,<br />
die es bearbeiten, für die spätere Anwendung <strong>der</strong> Erkenntnisse mit verantwortlich.<br />
Das Maß an Verantwortung kann freilich sehr unterschiedlich sein. Als Rutherford<br />
den Aufbau des Atoms erforschte, konnte er nicht wissen, dass die Resultate<br />
dieser Grundlagenforschung einmal dazu dienen würden, die bis dahin verheerendsten<br />
Vernichtungswaffen zu konstruieren. Er war daher für diese Waffen nicht<br />
verantwortlich. Oppenheimer hat die Atombombe zwar nicht abgeworfen und den<br />
Abwurf nicht befohlen, aber er verfolgte ein Forschungsproblem, das eindeutig militärischen<br />
Zwecken diente. Er hätte es ablehnen können, die Bombe zu bauen, daher<br />
trug er eine Mitverantwortung. Er hatte später starke moralische Skrupel und sagte,<br />
er und seine Kollegen hätten „das Werk des Teufels getan”.<br />
Zur Rechtfertigung von Oppenheimer muss daran erinnert werden, dass sich die<br />
USA im zweiten Weltkrieg befanden und dass es eine Gruppe von deutschen Physikern<br />
gab, die im Auftrag des Naziregimes am Projekt Atombombe arbeiteten, glücklicherweise<br />
ohne Erfolg. Auch Einstein, <strong>der</strong> in die USA emigriert war, hat aus diesem<br />
Grund in einem Schreiben an den amerikanischen Präsidenten den Bau <strong>der</strong> Atombombe<br />
für notwendig erachtet.<br />
Betrachten wir nun den Prüfungs- und Rechtfertigungszusammenhang. Hier geht es um<br />
Entscheidungen von <strong>der</strong> Art: Vermag die Theorie T die Tatsachen zu erklären, zu<br />
<strong>der</strong>en Erklärung sie konstruiert worden ist? Trägt das neue Experiment zur Bewäh-