Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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Hat auch Semmelweis in <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Untersuchung Annahmen gemacht, die<br />
einer Operationalisierung entsprechen? Die Antwort lautet ja. Denken Sie an seine<br />
Prüfvorhersage: Bei den Frauen, die von Medizinern untersucht werden, die ihre<br />
Hände in einer Chlorkalklösung gewaschen haben, wird das Kindbettfieber nicht<br />
auftreten. Er leitete diese Prognose P aus seiner Theorie T ab, dass das Kindbettfieber<br />
durch eine Substanz erzeugt wird, die die Ärzte noch an den Händen hatten, als sie<br />
von ihren Studien an Leichen kamen und die Frauen untersuchten. Dieses P folgt aus<br />
T allein nicht, son<strong>der</strong>n nur aus T zusammen mit <strong>der</strong> Hilfshypothese, dass das<br />
Waschen mit <strong>der</strong> Chlorkalklösung geeignet ist, die gefährliche Substanz zu<br />
beseitigen o<strong>der</strong> unwirksam zu machen. Semmelweis hatte mit dieser Hilfshypothese<br />
Glück. Sie hätte aber auch falsch sein können, und dies, obwohl Semmelweis mit T<br />
selbst, also seiner Theorie über die Ursache des Kindbettfiebers, Recht hatte.<br />
7.3 Das Hintergrundwissen und die hypothetisch-deduktive<br />
Methode<br />
Bedenkt man nun all dies, was mit <strong>der</strong> Operationalisierung und dem<br />
Hintergrundwissen zusammenhängt, dann ergibt sich, dass die hypothetischdeduktive<br />
Methode oben ein wenig zu einfach dargestellt worden ist. In Wirklichkeit<br />
folgt P nicht aus H allein, son<strong>der</strong>n aus mehreren Annahmen. Zunächst geht es<br />
manchmal nicht um eine Hypothese H allein, son<strong>der</strong>n um eine Theorie T, die aus<br />
mehreren Hypothesen besteht. In unserem Beispiel wurden zur Ableitung von P<br />
beide Hypothesen H 1 und H 2 verwendet. Hinzu kommen die Operationalisierungsannahmen.<br />
Die Anwendung des Modus tollens wird dadurch komplizierter.<br />
Angenommen, als Resultat <strong>der</strong> Untersuchung hätte sich ¬P ergeben. Was folgt<br />
daraus?<br />
H 1 ∧ H 2 ∧ O 1 ∧ O 2 → P<br />
¬ P<br />
---------------------------------<br />
¬ (H 1 ∧ H 2 ∧ O 1 ∧ O 2)<br />
Nun kennen wir einen gültigen Schluss, <strong>der</strong> hier anwendbar ist. Er gilt übrigens auch<br />
für mehr als zwei Aussagen (links die einfache Form, rechts die allgemeine):<br />
¬ (p ∧ q) ¬ (p ∧ q ... ∧ r)<br />
---------- -------------------<br />
¬ p ∨ ¬ q ¬ p ∨ ¬ q ... ∨ ¬ r