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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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- 76 -<br />

Hat auch Semmelweis in <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Untersuchung Annahmen gemacht, die<br />

einer Operationalisierung entsprechen? Die Antwort lautet ja. Denken Sie an seine<br />

Prüfvorhersage: Bei den Frauen, die von Medizinern untersucht werden, die ihre<br />

Hände in einer Chlorkalklösung gewaschen haben, wird das Kindbettfieber nicht<br />

auftreten. Er leitete diese Prognose P aus seiner Theorie T ab, dass das Kindbettfieber<br />

durch eine Substanz erzeugt wird, die die Ärzte noch an den Händen hatten, als sie<br />

von ihren Studien an Leichen kamen und die Frauen untersuchten. Dieses P folgt aus<br />

T allein nicht, son<strong>der</strong>n nur aus T zusammen mit <strong>der</strong> Hilfshypothese, dass das<br />

Waschen mit <strong>der</strong> Chlorkalklösung geeignet ist, die gefährliche Substanz zu<br />

beseitigen o<strong>der</strong> unwirksam zu machen. Semmelweis hatte mit dieser Hilfshypothese<br />

Glück. Sie hätte aber auch falsch sein können, und dies, obwohl Semmelweis mit T<br />

selbst, also seiner Theorie über die Ursache des Kindbettfiebers, Recht hatte.<br />

7.3 Das Hintergrundwissen und die hypothetisch-deduktive<br />

Methode<br />

Bedenkt man nun all dies, was mit <strong>der</strong> Operationalisierung und dem<br />

Hintergrundwissen zusammenhängt, dann ergibt sich, dass die hypothetischdeduktive<br />

Methode oben ein wenig zu einfach dargestellt worden ist. In Wirklichkeit<br />

folgt P nicht aus H allein, son<strong>der</strong>n aus mehreren Annahmen. Zunächst geht es<br />

manchmal nicht um eine Hypothese H allein, son<strong>der</strong>n um eine Theorie T, die aus<br />

mehreren Hypothesen besteht. In unserem Beispiel wurden zur Ableitung von P<br />

beide Hypothesen H 1 und H 2 verwendet. Hinzu kommen die Operationalisierungsannahmen.<br />

Die Anwendung des Modus tollens wird dadurch komplizierter.<br />

Angenommen, als Resultat <strong>der</strong> Untersuchung hätte sich ¬P ergeben. Was folgt<br />

daraus?<br />

H 1 ∧ H 2 ∧ O 1 ∧ O 2 → P<br />

¬ P<br />

---------------------------------<br />

¬ (H 1 ∧ H 2 ∧ O 1 ∧ O 2)<br />

Nun kennen wir einen gültigen Schluss, <strong>der</strong> hier anwendbar ist. Er gilt übrigens auch<br />

für mehr als zwei Aussagen (links die einfache Form, rechts die allgemeine):<br />

¬ (p ∧ q) ¬ (p ∧ q ... ∧ r)<br />

---------- -------------------<br />

¬ p ∨ ¬ q ¬ p ∨ ¬ q ... ∨ ¬ r

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