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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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dass Frustration die Wahrscheinlichkeit eines aggressiven Verhaltens erhöht. Mit<br />

diesen beiden Annahmen ist erklärbar, dass sich <strong>der</strong> Betroffene aggressiv verhielt.<br />

Hierbei wird nicht verlangt, dass man den Zustand des Betroffenen nacherlebt. Man<br />

mag ihn nacherleben können o<strong>der</strong> nicht, für die Erklärbarkeit spielt dies keine Rolle.<br />

Für die Erklärbarkeit ist vielmehr wichtig, dass das Explanans als bewährt gelten<br />

kann. Dies erfor<strong>der</strong>t, 1) dass die Gesetzeshypothese bewährt ist und 2) dass durch<br />

Beobachtungen o<strong>der</strong> entsprechende Auskünfte belegt ist, dass die betreffende Person<br />

tatsächlich eine Frustration erlitt. In <strong>der</strong> Lehre vom Verstehen wird hingegen keine<br />

Gesetzeshypothese verlangt.<br />

Forscher, die das Verstehen befürworten, sind sich dessen bewusst, dass Verstehen<br />

nicht immer auf Anhieb gelingt. Menschen verweigern es möglicherweise, ihre<br />

Handlungsgründe zu nennen, eventuell versuchen sie auch, an<strong>der</strong>e Gründe als die<br />

wirklichen vorzutäuschen. Es kann daher notwendig sein, viele ihrer verbalen o<strong>der</strong><br />

nichtverbalen Äußerungen heranzuziehen. Man prüft seinen ersten Versuch, den<br />

an<strong>der</strong>en zu verstehen, anhand weiterer Äußerungen und so fort, bis man den<br />

Eindruck hat, zu einem ausreichenden Verstehen gelangt zu sein.<br />

Betrachten wir noch ein an<strong>der</strong>es Beispiel aus <strong>der</strong> Pädagogik. Der achtjährige Ralf<br />

stört wie<strong>der</strong>holt den Unterricht. Die Lehrerin versucht sich in die Situation von Ralf<br />

hineinzuversetzen, seine psychischen Vorgänge nachzuerleben. Hierbei kommt ihr<br />

zugute, dass sie über eine Menge an pädagogischer Erfahrung verfügt. Sie kommt zu<br />

dem Ergebnis, dass Ralf sich im Unterricht vernachlässigt fühlt und sich durch seine<br />

Störaktionen bemerkbar machen will. Dieses Verstehen von Ralfs Verhalten ist eine<br />

wichtige Voraussetzung für eine geeignete pädagogische Maßnahme.<br />

11.2 Die Kontroverse um Verstehen und Erklären<br />

Nachdem die Lehre vom Verstehen entwickelt worden war, bildeten sich zwei<br />

gegensätzliche Auffassungen heraus, und es gibt darüber bis heute eine Kontroverse.<br />

Wir nennen die beiden Positionen die nomologische und die antinomologische<br />

Auffassung.<br />

Die wesentliche Annahme <strong>der</strong> nomologischen Auffassung lautet: Die Human- und<br />

<strong>Sozialwissenschaften</strong> gleichen den Naturwissenschaften darin, dass sie nomologische<br />

Erklärungen vornehmen, Erklärungen mit Hilfe von Gesetzen.<br />

Nach <strong>der</strong> antinomologischen Auffassung sind Erklärungen mit Hilfe von Gesetzen in<br />

den Human- und <strong>Sozialwissenschaften</strong> nicht möglich, weil es in diesem Bereich<br />

keine Gesetze gibt. Statt dessen ist die Methode des Verstehens anzuwenden.<br />

Welche <strong>der</strong> beiden Auffassungen vermag mehr zu überzeugen? Hierzu werden Sie<br />

von verschiedenen Wissenschaftsphilosophen unterschiedliche Antworten hören.<br />

Auch wird in manchen Fächern mehr das Erklären, in an<strong>der</strong>en mehr das Verstehen

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