Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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Sind diese Aussagen falsifizierbar? Wenn es mit Hans’ Karriere nicht klappt, dann<br />
könnte ein Astrologe sagen, dass die Planeten sehr wohl günstig standen, Hans<br />
jedoch seine Chance nicht genutzt hat. Und wie sollte man die zweite Aussage<br />
falsifizieren? Hans könnte behaupten, dass er sich an sein früheres Leben erinnert;<br />
vielleicht bildet er sich dies nur ein, aber wie sollten wir ihm dies nachweisen? Die<br />
dritte Aussage schließlich sagt, das A zu B führen kann, was offen lässt, ob B<br />
tatsächlich eintritt o<strong>der</strong> nicht. Welches Beobachtungsergebnis sollte dem<br />
wi<strong>der</strong>sprechen? Die Aussage hat keinen Informationsgehalt.<br />
Grundsätzlich sind folgende Dinge geeignet, eine Aussage zu einer nicht<br />
falsifizierbaren zu machen: Vage Ausdrücke, von denen nicht klar ist, auf was sie<br />
sich eigentlich beziehen; Ausdrücke, die sich auf etwas beziehen, das je<strong>der</strong><br />
Untersuchung unzugänglich ist; Wendungen, die einer Aussage den<br />
Informationsgehalt nehmen, wie z.B. „B kann eintreten” (was soviel heißt wie „kann<br />
eintreten o<strong>der</strong> nicht”). Nun muss nicht jede Aussage, die man z.B. im Privat- o<strong>der</strong> im<br />
Berufsleben macht, den Anspruch haben, wissenschaftlich zu sein.<br />
Pseudowissenschaftlich ist eine Aussage dann, wenn sie mit dem Anspruch <strong>der</strong><br />
Wissenschaftlichkeit vorgebracht wird, sich jedoch als nicht falsifizierbar erweist. Im<br />
ersten Kapitel sind wir bereits auf eine nicht falsifizierbare Hypothese gestoßen, die<br />
dem Kreationismus angehört und die unter dem Verdacht <strong>der</strong> Pseudowissenschaftlichkeit<br />
steht : „Die Erde ist 4000 Jahre alt, und Gott hat sie zusammen mit den<br />
Indizien erschaffen, die sie uns viel älter erscheinen lassen.” Aus <strong>der</strong> Sicht Poppers<br />
ist eine Lehre, die sich auf eine <strong>der</strong>artige Aussage zurückzieht, nicht<br />
wissenschaftlicher Natur. Manche Menschen schätzen Aussagen, die man nicht<br />
wi<strong>der</strong>legen kann, weil sie die Unwi<strong>der</strong>legbarkeit als Stärke missverstehen. In<br />
Wirklichkeit haben unwi<strong>der</strong>legbare Aussagen den Nachteil, dass man über ihre<br />
Wahrheit o<strong>der</strong> Falschheit durch Erfahrung nichts hinzulernen kann.<br />
Zur Wissenschaftlichkeit gehört zweitens <strong>der</strong> ernstgemeinte Versuch, eine<br />
aufgestellte Hypothese zu falsifizieren. Es genügt nicht allein, dass H auf<br />
falsifizierbare Weise formuliert ist. Es gibt nämlich viele Strategien, durch die man<br />
eine Falsifikation vermeiden kann, etwa, indem man nur nach<br />
Beobachtungstatsachen Ausschau hält, die <strong>der</strong> eigenen Hypothese H entsprechen,<br />
während man wi<strong>der</strong>sprechende Tatsachen nichts zur Kenntnis nimmt.<br />
Wie geht ein ernstgemeinter Prüfversuch vor sich? Wir bezeichnen das<br />
entsprechende Vorgehen als hypothetisch-deduktive Methode (Popper gebrauchte die<br />
Bezeichnung „Methode <strong>der</strong> deduktiven Nachprüfung”). Ausgangspunkt ist ein<br />
Problem. Man will etwa eine Erklärung für eine Tatsache finden, o<strong>der</strong> man will als<br />
Ersatz für eine bereits vorhandene Hypothese, die jedoch bestimmte Mängel<br />
aufweist, einen bessere finden. Eventuell spielen auch praktische Interessen eine<br />
Rolle, die dann aber meist auf dem Umweg über ein Erklärungsproblem angegangen<br />
werden müssen.