Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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zum Loslassen die Drehbewegung <strong>der</strong> Erde mit vollzieht, nach dem Loslassen diese<br />
Mitbewegung sofort einstellen würde. Tatsächlich hat er aber nach dem Loslassen<br />
die Tendenz, sich waagrecht zur Erdoberfläche weiterzubewegen, gleichzeitig wird<br />
er auch zum Erdmittelpunkt hin gezogen und landet so am Fuße des Turms.<br />
Der wichtigste Kritiker des Falsifikationismus Poppers war Thomas Kuhn mit<br />
seinem 1962 erschienen einflussreichen Werk Die Struktur wissenschaftlicher<br />
Revolutionen (deutsch: Frankfurt am Main 1967). Wir werden auf Kuhns Lehre noch<br />
zu sprechen kommen.<br />
Imre Lakatos hat den Versuch gemacht, den Falsifikationismus Poppers so<br />
weiterzuentwickeln, dass er Kuhns Lehre Rechnung trägt, siehe hierzu: Falsifikation<br />
und die Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme, in I. Lakatos und<br />
A. Musgrave (Hrsg.), Kritik und Erkenntnisfortschritt, Braunschweig 1974. Eine<br />
vereinfachte Darstellung von Lakatos’ Methodologie findet man in Chalmers, A. F.,<br />
Wege <strong>der</strong> Wissenschaft, Berlin 2001, Kap. 8.<br />
Paul Feyerabend war zunächst ein Anhänger des Falsifikationismus und hat<br />
scharfsinnige Argumente gegen den Induktivismus vorgebracht. Später ist er zu<br />
einem Kritiker von Popper geworden. In seinem Hauptwerk (Wi<strong>der</strong> den<br />
Methodenzwang, Frankfurt am Main 1976), das große Beachtung fand, kam er zu dem<br />
Ergebnis, dass die einzige methodologische Regel, die man den Wissenschaften<br />
empfehlen könne, so laute: „Anything goes” – was etwa heißt, dass Wissenschaftler<br />
ganz nach ihrer Intuition vorgehen und sich durch keinerlei methodologische<br />
Überlegungen einschränken sollten. Später verschärfte er seinen Ton und erwog, ob<br />
Wissenschaftstheorie nicht eine neue Form des Irrsinns sei. In seinen späteren<br />
Schriften war er aber nicht immer konsistent in seinen Aussagen, so dass man nicht<br />
mehr recht wusste, was er ernst meinte und was nicht.<br />
Eine gute Kritik an Kuhn, Lakatos und Feyerabend verfasste Gunnar An<strong>der</strong>sson,<br />
Kritik und Wissenschaftsgeschichte, Tübingen 1988.<br />
Fragen zur Wissensüberprüfung<br />
1) Erläutern Sie anhand eines Beispiels, was man unter Operationalisierung und<br />
unter dem Hintergrundwissen versteht.<br />
2) Welche Rolle spielt das Hintergrundwissen im Zusammenhang mit einer<br />
Falsifikation?<br />
3) Inwiefern ist es möglich, bei <strong>der</strong> Theorienprüfung systematisch (und nicht<br />
beliebig) vorzugehen, obwohl Falsifikationsentscheidungen nicht endgültig sind?