Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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Prüfungsangst stets und ohne Ausnahme die Prüfungsleistung vermin<strong>der</strong>t. Stellen<br />
Sie sich vor, was es bedeuten würde, wenn (2) deterministisch aufgefasst würde.<br />
Dies würde implizieren, dass Inge, die hohe Prüfungsangst hat, in <strong>der</strong> betreffenden<br />
Prüfung garantiert schlechter abschneidet als Hans, <strong>der</strong> mittlere Prüfungsangst hat.<br />
So stimmt es auf keinen Fall. Es könnte zahllose Faktoren geben, die einem solchen<br />
Resultat entgegenwirken. Z.B. könnte Inge viel besser vorbereitet sein als Hans, o<strong>der</strong><br />
Hans könnte am Prüfungstag in beson<strong>der</strong>s schlechter Verfassung sein, Hans könnte<br />
abgelenkt sein, weil er verliebt ist, o<strong>der</strong> er könnte plötzlich asthmatische<br />
Beschwerden bekommen. Kurz, B ist bei Aussage (2) noch von vielen an<strong>der</strong>en<br />
Faktoren abhängig als von A, und diese könnten zur Folge haben, dass B nicht<br />
eintritt, obwohl A realisiert war.<br />
Die Gesetzesaussage (2) macht daher nur Sinn, wenn sie etwa folgen<strong>der</strong>maßen<br />
verstanden wird: Wenn die Prüfungsangst von x hoch ist, und wenn alles an<strong>der</strong>e, das<br />
die Prüfungsleistung ebenfalls beeinflussen kann, unverän<strong>der</strong>t bleibt, dann wird die<br />
Prüfungsleistung von x niedriger sein, als wenn die Prüfungsangst niedrig o<strong>der</strong><br />
mittelmäßig ist.<br />
Für die Wendung „alles an<strong>der</strong>e bleibt unverän<strong>der</strong>t” benutzt man meist den<br />
Ausdruck „ceteris paribus”. Wir sagen dafür im Folgenden kurz CP. Damit können<br />
wir die ursprüngliche Aussage folgen<strong>der</strong>maßen präzisieren:<br />
Für alle Personen x gilt CP: Wenn x große Prüfungsangst hat, dann vermin<strong>der</strong>t dies<br />
die Prüfungsleistung von x.<br />
In wissenschaftlichen Texten werden Sie allerdings den Ausdruck CP selten finden.<br />
Sie müssen ihn sich hinzudenken, wenn Sie eine Aussage vor sich haben, die<br />
unmöglich als deterministische Aussage gemeint sein kann, son<strong>der</strong>n nur als CP-<br />
Aussage Sinn macht.<br />
Es gibt noch eine an<strong>der</strong>e Möglichkeit, <strong>der</strong> Tatsache Rechnung zu tragen, dass ein<br />
Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten A und B nicht ausnahmslos besteht.<br />
Man kann von dem Begriff <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit Gebrauch machen und eine<br />
probabilistische Aussage (auch statistische Aussage genannt) formulieren. Betrachten<br />
wir nochmals folgende deterministisch formulierte Aussage von oben:<br />
Für alle Personen x: Wenn x frustriert wird, dann reagiert x mit Aggression.<br />
Es wurde schon festgestellt, dass dies nicht stimmt. Stattdessen könnten wir nun<br />
sagen:<br />
Für alle Personen x: Wenn x frustriert wird, dann reagiert x mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit aggressiv.<br />
„Hohe Wahrscheinlichkeit” heißt soviel, wie dass die Wahrscheinlichkeit nahe bei 1<br />
liegt. Tatsächlich ist es aber in den Humanwissenschaften so, dass man selten einen<br />
so engen Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen A und B nachweisen kann. Oft