Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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6. Die hypothetisch-deduktive Methode: Teil 1<br />
6.1 Hypothesenprüfung, Falsifikation und Bewährung<br />
Wie gelangt man zu begründeten Gesetzeshypothesen? Diese Frage ist nach wie vor<br />
unbeantwortet. Der Induktivismus liefert eine Antwort, die jedoch in <strong>der</strong><br />
<strong>Wissenschaftsphilosophie</strong> verworfen worden ist. Gibt es zum Induktivismus eine<br />
Alternative? 1934 veröffentliche Karl Popper ein klassisches Werk zur<br />
<strong>Wissenschaftsphilosophie</strong> mit dem Titel „Logik <strong>der</strong> Forschung”. Darin wird <strong>der</strong><br />
Versuch unternommen, eine Lehre von <strong>der</strong> wissenschaftlichen Erkenntnis zu<br />
entwickeln, die ohne Induktion auszukommen versucht. Popper kritisierte die<br />
Induktion mit denselben Argumenten wie Hume: Gesetzeshypothesen, also<br />
Aussagen <strong>der</strong> Form „Für alle x gilt ...” lassen sich nicht anhand von Beobachtungen<br />
verifizieren, d.h. nicht als wahr erweisen. Noch so viele Beobachtungen weißer<br />
Schwäne können nicht die Aussage „Alle Schwäne sind weiß” verifizieren.<br />
An<strong>der</strong>erseits genügt ein einziger schwarzer Schwan, um die Aussage „Alle Schwäne<br />
sind weiß” zu falsifizieren, d.h. zu wi<strong>der</strong>legen, als falsch zu erweisen. Popper hatte<br />
nun die Idee, in <strong>der</strong> Falsifikation das eigentliche Moment zu suchen, das empirische<br />
Wissenschaft auszeichnet. Wer induktiv denkt, sucht das Beson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />
Wissenschaft darin, dass sie ihre Aussagen verifiziert. Aber dieses Ziel ist nicht<br />
erreichbar. Poppers Gegenvorschlag lautet: Das, was empirische Wissenschaft von<br />
Pseudowissenschaft abgrenzt, ist die Falsifizierbarkeit. Ein empirisch-wissenschaftliches<br />
Vorgehen muss folgenden Anfor<strong>der</strong>ungen genügen:<br />
1. Hypothesen müssen so formuliert werden, dass sie anhand von Beobachtungen<br />
falsifizierbar sind.<br />
2. Es müssen ernstgemeinte Versuche unternommen werden, die vorgebrachten<br />
Hypothesen zu falsifizieren.<br />
Betrachten wir die Hypothese H: Wenn ein Mensch 100 Gramm weißen<br />
Knollenblätterpilz isst, dann führt dies zu einer Vergiftung.<br />
Diese Hypothese ist falsifizierbar, denn man kann sich eine Beobachtungsaussage P<br />
denken, die H wi<strong>der</strong>spricht: Hans hat 100 Gramm von dem weißen<br />
Knollenblätterpilz gegessen, und dies hat bei ihm nicht zu einer Vergiftung geführt.<br />
Wenn tatsächlich passieren würde, was P beschreibt, so müsste man H als falsifiziert<br />
betrachten.<br />
Nehmen Sie nun zum Vergleich folgende Aussagen: In <strong>der</strong> ersten Hälfte des Jahres<br />
2005 stehen die Planeten günstig für Hans’ berufliche Karriere. – Hans war in einem<br />
früheren Leben ein Priester in Atlantis. – Das regelmäßige Hören von klassischer<br />
Musik kann die Intelligenz för<strong>der</strong>n.