06.08.2013 Aufrufe

Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

- 109 -<br />

Mangel an Intelligenz o<strong>der</strong> Vernunft, son<strong>der</strong>n aufgrund fehlen<strong>der</strong> technischer<br />

Möglichkeiten)?<br />

Das Beispiel macht deutlich, dass die Frage nach <strong>der</strong> Wahrheit auf etwas abzielt, das<br />

sich einfach nicht auf einen Konsens reduzieren lässt, so raffiniert man auch die<br />

Bedingungen fasst, unter denen er zustande kommt. Wie auch immer diese<br />

Bedingungen sind, man kann sich stets die Möglichkeit eines kollektiven Irrtums<br />

vorstellen. Die Suche nach <strong>der</strong> Wahrheit ist eben <strong>der</strong> Versuch, etwas zu erfassen, das<br />

den Aussagen und Überzeugungen gegenüber steht, von ihnen unabhängig ist und<br />

sich daher nicht als Übereinstimmung allein zwischen Aussagen untereinan<strong>der</strong><br />

(Kohärenz) o<strong>der</strong> zwischen Zustimmungsakten (Konsens) definieren lässt. Diesem<br />

Aspekt trägt allein die Korrespondenztheorie Rechnung.<br />

9.2 Theorie und Realität<br />

Wissenschaftliche Theorien handeln in <strong>der</strong> Regel von Gegenständen, die nicht o<strong>der</strong><br />

allenfalls mit speziellen Hilfsmitteln beobachtbar sind (Atome, Gene). Aussagen über<br />

solche Gegenstände können auf zwei verschiedene Weisen interpretiert werden. Um<br />

dies zu erläutern, ist es zunächst notwendig, den Gedanken des Realismus in <strong>der</strong><br />

Erkenntnis einzuführen. Die natürliche Weltauffassung ist realistisch. Menschen im<br />

Alltag gehen davon aus, dass die Dinge, die sie sehen und anfassen, real sind. Die<br />

Möbel o<strong>der</strong> die an<strong>der</strong>en Personen verschwinden nicht, wenn man nicht mehr<br />

hinsieht, sie sind objektiv vorhanden, nicht nur in unserer Vorstellung. Wir nehmen<br />

auch an, dass <strong>der</strong> Tisch wirklich rechteckig ist, dass in Paris wirklich <strong>der</strong> Eiffelturm<br />

steht, dass wirklich Menschen auf dem Mond gelandet sind, dass all dies Tatsachen<br />

sind und wir Gründe haben, sie für solche zu halten.<br />

Die Wissenschaft bestätigt nicht alles, was man im Alltag für Tatsachen hält, und sie<br />

fügt weiterhin dem Alltagsdenken Tatsachen hinzu, die diesem fremd sind,<br />

zumindest solange, bis sie allmählich ins Allgemeinwissen einfließen. Oft wird<br />

gesagt, das Alltagsdenken enthalte einen naiven Realismus, die Wissenschaft<br />

hingegen einen kritischen Realismus. „Naiver Realismus” meint hierbei den Glauben,<br />

dass alles objektiv so sei, wie es in <strong>der</strong> Wahrnehmung erscheint. Man beachte nun,<br />

dass Personen im Alltag durchaus nicht völlig naiv sind. Sie wissen, dass <strong>der</strong> entfernte<br />

Turm nicht wirklich klein ist und beim Näherkommen größer wird, dass <strong>der</strong><br />

Stock, <strong>der</strong> im Wasser gebrochen aussieht, nicht wirklich gebrochen ist. Es gehört zu<br />

den grundlegenden Erfahrungen auch des Alltagsdenkens, dass man sich täuschen<br />

kann und dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Bereits das<br />

Alltagsdenken stellt also, zumindest in Ansätzen, einen kritischen Realismus dar,<br />

wenn auch die Wissenschaft viele Alltagsüberzeugungen korrigiert und durch<br />

an<strong>der</strong>e Annahmen ersetzt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!