Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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werden, aber diese Bestätigung erreicht niemals den Grad völliger Sicherheit, und in<br />
<strong>der</strong> Wissenschaftsgeschichte hat sich immer wie<strong>der</strong> gezeigt, dass Theorien, die für<br />
wahr gehalten wurden, aufgegeben o<strong>der</strong> korrigiert werden mussten.<br />
Ein an<strong>der</strong>er Unterscheidungsversuch ist erfolgversprechen<strong>der</strong>: Die Hypothesen und<br />
Theorien <strong>der</strong> Wissenschaft sollten auf jeden Fall anhand empirischer Befunde<br />
wi<strong>der</strong>legbar sein. Es mag durchaus sein, dass sie sich einmal als falsch erweisen. Dies<br />
macht sie nicht nachträglich unwissenschaftlich. Nur wenn sie gar nicht wi<strong>der</strong>legbar<br />
sind, fehlt ihnen eine wichtige Eigenschaft: Man kann sie dann nach Belieben<br />
behaupten und für alle Zeit aufrecht erhalten. Durch empirische Forschung kann<br />
man über sie nichts hinzulernen.<br />
In dieser Hinsicht kommt <strong>der</strong> Kreationismus nun in Schwierigkeiten. Was erwi<strong>der</strong>t<br />
ein Kreationist, wenn er z.B. mit <strong>der</strong> Tatsache konfrontiert wird, dass es Fossilien<br />
gibt, <strong>der</strong>en Alter auf viele Millionen Jahre bestimmt wird? Dies sieht nach einer<br />
eindeutigen Wi<strong>der</strong>legung <strong>der</strong> kreationistischen These aus, dass die Erde nur einige<br />
Tausend Jahre alt wäre. Einige Vertreter des Kreationismus erwi<strong>der</strong>n aber Folgendes:<br />
Gott hat die Welt vor einigen Tausend Jahren erschaffen, und er hat die Fossilien mit<br />
erschaffen, um die Erde viel älter aussehen zu lassen, als sie es ist (vielleicht um<br />
unseren Glauben zu prüfen o<strong>der</strong> zur Erfüllung eines göttlichen Plans, den wir nicht<br />
kennen). Auf diese Weise kann <strong>der</strong> Kreationismus eine Wi<strong>der</strong>legung abwehren.<br />
Allerdings gerät er an diesem Punkt in ein Dilemma: Entwe<strong>der</strong> er bekennt sich zu<br />
wissenschaftlichen, wi<strong>der</strong>legbaren Thesen, die dann aber an erdrückenden Tatsachen<br />
sofort scheitern. O<strong>der</strong> er zieht sich auf Erwi<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> genannten Art zurück, von<br />
denen jedoch lei<strong>der</strong> nicht zu sehen ist, wie man sie jemals prüfen könnte (auch nach<br />
kreationistischer Auffassung kann man Gottes Pläne nicht empirisch ermitteln), und<br />
dann fehlt ihm eben das Merkmal, das Hypothesen zu wissenschaftlichen macht. Die<br />
Annahme ‚Die Erde ist 4000 Jahre alt’ ist wi<strong>der</strong>legbar, und sie wird durch unzählige<br />
Beobachtungen <strong>der</strong> Geologie und Paläontologie auch eindeutig wi<strong>der</strong>legt. Die<br />
Annahme ‚Die Erde ist 4000 Jahre alt, und Gott hat sie zusammen mit den Indizien<br />
erschaffen, die sie uns viel älter erscheinen lassen’ könnte wahr sein, doch ist nicht zu<br />
sehen, wie man sie jemals überprüfen und gegebenenfalls wi<strong>der</strong>legen könnte.<br />
Viele Wissenschaftler und Philosophen sind geneigt, die zuletzt dargestellte<br />
Auffassung von Wissenschaftlichkeit, die von Karl Popper stammt, zu akzeptieren<br />
und Lehren wie dem Kreationismus daher die Wissenschaftlichkeit abzusprechen<br />
(was nicht notwendigerweise auf eine Ablehnung <strong>der</strong> Religion hinausläuft, die ja<br />
heute gewöhnlich nicht den Anspruch erhebt, Erkenntnis nach <strong>der</strong> Art <strong>der</strong><br />
Wissenschaften zu bieten). Aber auch dieser Vorschlag, Wissenschaftlichkeit zu<br />
definieren, wird nicht von allen akzeptiert. Manche Wissenschaftsphilosophen sind<br />
zu <strong>der</strong> Auffassung gekommen, die bedeutendsten Theorien <strong>der</strong> Naturwissenschaft<br />
seien in Wirklichkeit gar nicht wi<strong>der</strong>legbar. Es wurde sogar behauptet, sie seien im<br />
Grunde auch nur Glaubenssysteme und daher keineswegs grundverschieden von