Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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eine Angabe <strong>der</strong> realen Sachverhalte verlangt, die ein zu erklärendes Ereignis<br />
hervorgebracht haben.<br />
Die Problemsituation, mit <strong>der</strong> wir es zu tun haben, ist also so beschaffen, dass <strong>der</strong><br />
Realismus einen höheren, <strong>der</strong> Instrumentalismus einen bescheideneren<br />
Erkenntnisanspruch erhebt. Beide wollen Theorien, die zutreffende Vorhersagen<br />
gestatten, <strong>der</strong> Realist möchte darüber hinaus, dass diese Theorien wahr sind. Wenn<br />
man die Wahl hätte, das zu bekommen, was <strong>der</strong> Realist anstrebt o<strong>der</strong> das, was dem<br />
Instrumentalisten genügt, so würde man ohne Zweifel das reichhaltigere Angebot<br />
annehmen: Theorien, die auch Erkenntnisse von Tatsachen sind. Die Strategie des<br />
Instrumentalisten besteht daher darin, zu zeigen, dass man diese Wahl nicht hat,<br />
dass man Wahrheit o<strong>der</strong> Wahrheitsannäherung in Bezug auf Theorien nicht<br />
begründen kann.<br />
Was sind die Argumente, die <strong>der</strong> Instrumentalismus anführt? Es sind im wesentlichen<br />
zwei. Das erste hängt mit <strong>der</strong> Ungewissheit <strong>der</strong> Erkenntnis zusammen: Es<br />
ist nicht zulässig, empirische Bestätigung als Begründung für die Wahrheit einer<br />
Theorie zu verwerten. Betrachten wir das, worüber eine Theorie spricht, als eine Art<br />
„Black Box”. Die Mikrostruktur <strong>der</strong> Materie ist z.B. eine Black Box. Wir können nicht<br />
in sie hineinsehen und wahrnehmen, dass ein Stück Materie aus Atomen in<br />
bestimmter Anordnung besteht. Ebenso wenig können wir in eine an<strong>der</strong>e Person<br />
hineinschauen, um zu prüfen, ob das zutrifft, was eine psychologische Theorie über<br />
Kognition o<strong>der</strong> Motivation von Personen sagt. Wir können eventuell bestätigen, was<br />
aus <strong>der</strong> Theorie über das beobachtbare Verhalten von Personen abgeleitet wurde.<br />
Diese Bestätigung sagt uns aber nicht zwingend, wie das Innere <strong>der</strong> Black Box<br />
beschaffen ist. Zu jedem beobachtbaren Verhalten eines Systems gibt es<br />
unbegrenzbar viele mögliche Theorien über die Mechanismen, die dieses Verhalten<br />
erzeugt haben könnten. Das Innere einer Black Box ist wie das Innere einer Uhr, von<br />
<strong>der</strong> wir einmal annehmen wollen, dass niemand sie zerlegen kann und dass man von<br />
außen auch keine Hinweis auf ihre Funktionsweise bekommt. Nur ihr Verhalten ist<br />
sichtbar: Sie zeigt die Zeit perfekt an. Wir machen eine Theorie über ihre<br />
Funktionsweise. Die Theorie erklärt die Bewegung <strong>der</strong> Zeiger als kausale Folge<br />
gewisser Rädchen, die sich im Inneren drehen und die durch gespannte Fe<strong>der</strong>n<br />
angetrieben werden. Die Theorie erklärt alles, was wir beobachtet haben – und doch<br />
könnte sie falsch sein, es könnte sich um eine Elektro-Uhr handeln. Theorien sind<br />
durch die Empirie grundsätzlich „unterbestimmt”.<br />
Dieses Argument ist durchschlagend, wenn es sich gegen einen Realismus richtet,<br />
<strong>der</strong> sichere Erkenntnis über die Wirklichkeit beansprucht. An<strong>der</strong>s ist es, wenn es um<br />
fehlbare Erkenntnis geht. Daher ist es in <strong>der</strong> Debatte über Realismus und<br />
Instrumentalismus sehr wichtig, den Erkenntnisanspruch zu klären, <strong>der</strong> in die vom<br />
Realismus vertretene Position eingeht. Nach dem Realismus, den wir hier<br />
diskutieren, geht es um Erkenntnis im Sinne von hypothetischen Annahmen, die