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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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demnach, wie oben erläutert, Aussagen, <strong>der</strong>en Wahrheit o<strong>der</strong> Falschheit nur von<br />

ihrer logischen Form sowie den geltenden Bedeutungsregeln abhängt.<br />

Es ist nun so, dass man mit dem Denken allein über diejenigen Aussagen entscheiden<br />

kann, die keinen Informationsgehalt haben. Ich brauche keine Beobachtungen<br />

vorzunehmen, um über die Wahrheit o<strong>der</strong> Falschheit <strong>der</strong> Aussagen zu<br />

befinden: „Es wird regnen o<strong>der</strong> nicht regnen” und „Alle Junggesellen sind unverheiratet”.<br />

Wenn man verstanden hat, was diese Aussagen ausdrücken (hierzu<br />

gehört natürlich die Kenntnis <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Wörter), muss man nur über ihre<br />

logische Form nachdenken, um zu erkennen, dass sie wahr sind; man muss dazu<br />

keine Beobachtungen anstellen.<br />

Aber könnten wir mit dem Denken allein darüber befinden, ob es jetzt draußen<br />

regnet o<strong>der</strong> ob alle Planetenbahnen Ellipsen sind? Nach <strong>der</strong> überwiegenden<br />

Auffassung in <strong>der</strong> Philosophie und in den Wissenschaften können Menschen dies<br />

durch reines Nachdenken nicht leisten. Der Mensch hat nicht die Fähigkeit, ohne<br />

seine äußeren Sinnesorgane, sozusagen mit seinem Geist allein, einen Blick auf die<br />

Naturgesetze zu werfen, so wie man einen Blick in den Kühlschrank werfen kann,<br />

um zu erfahren, ob noch ein Bier da ist. Zur Entscheidung über Aussagen mit<br />

Informationsgehalt muss die Erfahrung als Erkenntnisquelle hinzutreten. Wenn es<br />

möglich wäre, die Frage z.B. nach den Planetenbahnen durch Denken allein zu<br />

entscheiden, so wäre es unverständlich, warum es so vieler astronomischer Daten<br />

bedurfte, um die Ellipsenbahn herauszufinden.<br />

Wir können nun in einer sehr allgemeinen Weise darstellen, wie die Erkenntnisproblematik<br />

in den Realwissenschaften aussieht. Das Ziel ist formuliert<br />

worden: Erkenntnis von Gesetzen, ausgedrückt durch einfache und zugleich erklärungskräftige<br />

Theorien. Die Frage ist, mit welchen Mitteln man dies erreichen<br />

kann. Wir wissen jetzt: Man kann dies nicht erreichen durch Erfahrung o<strong>der</strong> Beobachtung<br />

allein. Man kann es auch nicht erreichen durch Nachdenken allein.<br />

Möglicherweise kann man dieses Ziel erreichen, indem man Erfahrung und Denken<br />

im Kombination einsetzt. Aber in welcher Weise? Dies ist eines <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Probleme <strong>der</strong> Wissenschaftstheorie: Durch welche Art des Denkens und Schließens<br />

kann man Beobachtungsergebnisse so verwerten, dass man am Ende zu begründeten<br />

allgemeinen Hypothesen, also zu Gesetzen, gelangt?<br />

Weiterführende Hinweise und Literatur<br />

Zur Zielsetzung <strong>der</strong> Wissenschaft gibt es einen klassischen Artikel von Karl Popper<br />

mit dem Titel „Das Ziel <strong>der</strong> Erfahrungswissenschaft”. Er ist abgedruckt in Poppers<br />

Sammelband „Objektive Erkenntnis” (S. 213-229), Hamburg 1973.

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