Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
- 59 -<br />
Eine falsifizierbare Gesetzeshypothese H wird versuchsweise vorgeschlagen. Sie<br />
kann das Ergebnis einer induktiven Verallgemeinerung von Beobachtungen sein,<br />
muss es aber nicht. Bei den interessanten Hypothesen wird es eher nicht so sein.<br />
Wichtig ist, dass zu diesem Zeitpunkt die vorgeschlagene Hypothese keinen<br />
Anspruch auf Begründung erheben kann.<br />
H wird einer empirischen Prüfung unterzogen. Aus H wird hierzu eine<br />
Prüfvorhersage P deduktiv abgeleitet. P wird mit den Beobachtungen verglichen. Das<br />
Ergebnis ist, dass als Beobachtungsaussage entwe<strong>der</strong> P o<strong>der</strong> ¬P akzeptiert wird. Das<br />
Ergebnis P spricht dafür, H als bewährt anzusehen. Das Ergebnis ¬P spricht gegen H<br />
und legt es nahe, H zu falsifizieren, als falsch zu betrachten.<br />
Je nachdem, zu welchem Urteil man gelangt, ergibt sich schließlich ein neues<br />
Problem, z.B. die bewährte Hypothese H erneut zu prüfen o<strong>der</strong> sich an Stelle <strong>der</strong><br />
falsifizierten Hypothese H eine an<strong>der</strong>e auszudenken.<br />
Da bei diesem Vorgehen Hypothesen entworfen werden und dann zum Zweck ihrer<br />
Prüfung etwas aus ihnen deduziert wird, spricht man von <strong>der</strong> hypothetisch-deduktiven<br />
Methode. Da die Falsifikation hierbei ein zentrales Element ist, wurde diese Lehre<br />
auch als Falsifikationismus bezeichnet.<br />
Eine wichtige Schlussform bei diesem Vorgehen ist <strong>der</strong> Modus tollens, <strong>der</strong> im Fall,<br />
dass ¬P resultiert, zum Einsatz kommt:<br />
H → P<br />
¬ P<br />
---------<br />
¬ H<br />
Wir sagten, dass ein einziger schwarzer Schwan (dies entspricht hier <strong>der</strong><br />
Beobachtungsaussage ¬P) genügt, um die Aussage „Alle Schwäne sind weiß”<br />
(Hypothese H) zu falsifizieren. In den Wissenschaften ist es nicht immer so einfach.<br />
Über die Prüfvorhersage P muss durch Beobachtung entschieden werden, und beim<br />
Beobachten kann man sich hin und wie<strong>der</strong> täuschen. Wenn oben schlicht von dem<br />
Befund ¬P gesprochen wird, so ist dies so gemeint, dass dieses Beobachtungsergebnis<br />
auf Fehler hin kontrolliert worden ist. Je nachdem, um was es bei P geht,<br />
wird diese Kontrolle erfor<strong>der</strong>n, dass wie<strong>der</strong>holte Beobachtungen angestellt werden.<br />
Weiterhin ist zu for<strong>der</strong>n, dass <strong>der</strong> Befund intersubjektiv überprüft wird: Ein an<strong>der</strong>er<br />
Forscher bzw. eine an<strong>der</strong>e Forschergruppe wie<strong>der</strong>holt die Untersuchung, um<br />
auszuschließen, dass das Resultat ¬P auf einem Beobachtungsfehler o<strong>der</strong> einem<br />
Fehler im Aufbau <strong>der</strong> Untersuchung beruht.