Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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rung von T bei? Soll T als falsifiziert beurteilt werden? Bei solchen Entscheidungen<br />
sollten ausschließlich epistemische Werte eine Rolle spielen. Es ist klar, dass es faktisch<br />
nicht so ist. Niemand ist erfreut darüber, wenn eine eigene Hypothese, die man<br />
schätzen gelernt hat, als falsifiziert erachtet werden soll. Auch unter Wissenschaftlern<br />
gibt es eine Neigung, unliebsame Fakten zu ignorieren. Auch gibt es lei<strong>der</strong> Fälle<br />
von Betrug, in denen Forscher Daten gefälscht haben, um sich mit Hilfe solcher, Aufsehen<br />
erregen<strong>der</strong> Resultate fachliche Anerkennung zu verschaffen. Umso wichtiger<br />
ist es, zu betonen und zu einer Norm zu machen, dass die Bewertung <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Aussagen allein anhand von epistemischen Werten erfolgen soll.<br />
Welche Rolle kommt moralischen Werten im Prüfungs- und Rechtfertigungszusammenhang<br />
zu? Sie können bei den hier zu treffenden Entscheidungen nicht behilflich<br />
sein. Ob eine Aussage wahr o<strong>der</strong> falsch ist, ob sie durch bestimmte Daten bewährt<br />
o<strong>der</strong> falsifiziert wird, dies sollte auf keinen Fall danach entschieden werden, ob die<br />
entsprechende Tatsachenerkenntnis aus moralischer Perspektive gefällt o<strong>der</strong> nicht.<br />
Moralische Gesichtspunkte sind an an<strong>der</strong>er Stelle einzubringen: Ein Wissenschaftler<br />
hat die Möglichkeit, die Arbeit an einem Forschungsproblem abzulehnen. Dies betrifft<br />
die Problemauswahl. Wenn bereits Erkenntnisse vorliegen und sich absehen<br />
lässt, dass diese für moralisch bedenkliche Zwecke herangezogen werden, so können<br />
Wissenschaftler öffentlich gegen diese Verwendung Stellung beziehen. Dies betrifft<br />
den Verwertungszusammenhang. Ungut wäre es aber, wenn die Wissenschaft aus<br />
„moralischen” Motiven heraus beginnen würde, von bewährten Aussagen bekannt<br />
zu geben, sie seien wi<strong>der</strong>legt, und von wi<strong>der</strong>legten, sie seien bewährt. Dies kann auf<br />
längere Sicht nur Schaden anrichten und ist daher abzulehnen.<br />
12.3 Wertungen als Gegenstand <strong>der</strong> Wissenschaft<br />
Wir haben untersucht, inwieweit Werturteile die empirisch-wissenschaftliche Tätigkeit<br />
bestimmen und bestimmen sollen. Eine weitere Frage ist nun, ob Wertungen Gegenstand<br />
wissenschaftlicher Forschung sind bzw. sein sollen.<br />
Hier zeigt sich eine Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Human- und <strong>Sozialwissenschaften</strong> im Unterschied<br />
zu den Naturwissenschaften. Erstere machen Werturteile insofern zum Gegenstand<br />
empirischer Forschung, als sie untersuchen, welche Werturteile Personen<br />
bzw. soziale Gruppen über an<strong>der</strong>e fällen. In <strong>der</strong> Soziologie und Sozialpsychologie<br />
werden unter an<strong>der</strong>em soziale Einstellungen und Vorurteile erforscht. Eine Einstellung<br />
enthält stets ein Werturteil als Komponente. Welche Einstellungen gibt es in<br />
dieser o<strong>der</strong> jener Gesellschaft? Wie entstehen Vorurteile? Wie können sie geän<strong>der</strong>t<br />
werden? Dies sind wichtige Projekte <strong>der</strong> empirischen Sozialforschung. In einer gewissen<br />
Hinsicht ist es also wahr, dass in den <strong>Sozialwissenschaften</strong> Tatsachen und<br />
Werte nicht zu trennen sind, denn die Wertungen sind hier die zu untersuchenden<br />
Tatsachen. In an<strong>der</strong>er Hinsicht kann man sie freilich trennen, denn die Aussagen <strong>der</strong>