Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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8. Theorien: Konstruktion, Struktur, Gütekriterien<br />
8.1 Ein Beispiel einer sozialwissenschaftlichen Theorie<br />
Mehrere Gesetzeshypothesen, die sich auf denselben Bereich von Phänomenen<br />
beziehen und die einan<strong>der</strong> ergänzen, so dass man aus diesen Hypothesen<br />
gemeinsam weitere logisch ableiten kann, bilden das, was man eine Theorie nennt.<br />
Kaum ein wissenschaftstheoretischer Begriff wird so häufig verwendet wie <strong>der</strong>jenige<br />
<strong>der</strong> Theorie. In den Wissenschaften, <strong>der</strong> Philosophie und zum Teil auch im Alltag<br />
wird von Theorien gesprochen. Was eine Theorie ist, wie sie entsteht, wozu man sie<br />
haben will und wie man mit ihr verfährt, dies soll nun an einem Beispiel erläutert<br />
werden. Wir verwenden hierzu die Theorie <strong>der</strong> Leistungsmotivation von John W.<br />
Atkinson. Sie hat Bezüge zu allen Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und eignet<br />
sich als Vorbild für eine gute Theorienkonstruktion. Sie ist auch insofern geeignet, als<br />
sie für sozialwissenschaftliche Verhältnisse eine ziemliche Klarheit besitzt: Die<br />
grundlegenden Aussagen <strong>der</strong> Theorie werden durch mathematische Formeln<br />
dargestellt (sehr einfache, man muss nur Addieren und Multiplizieren können.) Die<br />
meisten Theorien auf diesem Gebiet liegen in Gestalt verbaler Aussagen vor. Dies ist<br />
kein grundsätzliches Problem, nur ist es eben mit Hilfe <strong>der</strong> Mathematik möglich,<br />
eine größere Präzision zu erreichen. – Im Folgenden soll nicht nur <strong>der</strong> formale<br />
Aufbau einer Theorie aufgezeigt werden, son<strong>der</strong>n auch die Entwicklung einer<br />
Theorie. Wie kommt man dazu, eine Theorie zu entwerfen, sie in bestimmter Weise<br />
auszugestalten? Welche Probleme standen am Anfang und gaben den Anlass zur<br />
Konstruktion eben dieser Theorie?<br />
Gegenstandsbereich <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> Leistungsmotivation sind Personen, die unter<br />
Leistungsgesichtspunkten handeln, die z.B. eine sportliche Leistung anstreben o<strong>der</strong><br />
ein unternehmerisches Risiko eingehen – wobei man sich vorstellen muss, dass das,<br />
was die betreffenden Personen motiviert, die Leistung um ihrer selbst willen ist und<br />
nicht eine äußere Belohnung wie Geld o<strong>der</strong> die Anerkennung durch an<strong>der</strong>e<br />
Personen. Natürlich gibt es diese äußeren Belohnungen, und sie motivieren Personen<br />
auch; die Theorie, um die es hier geht, behauptet aber, dass es neben diesen<br />
extrinsischen Motiven noch eine intrinsische Leistungsmotivation gibt, und nur über<br />
diese will sie etwas aussagen.<br />
Wenn eine Theorie entworfen wird, so geschieht dies immer zu dem Zweck, einer<br />
Menge von bereits bekannten Fakten und Zusammenhängen Rechnung zu tragen.<br />
Im Falle <strong>der</strong> Leistungsmotivation war zum Zeitpunkt, als die Theorie Atkinsons<br />
entstand, unter an<strong>der</strong>em Folgendes bekannt:<br />
– Personen setzen sich Leistungsziele, und sie verfolgen diese mit mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
großer Ausdauer.