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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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3) Eine dritte Möglichkeit, gegen eine Werturteil zu argumentieren, macht Gebrauch<br />

von dem Prinzip: Sollen impliziert Können. Da hier eine Verbindung zwischen <strong>der</strong><br />

Ebene <strong>der</strong> Moral und <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Tatsachen geschaffen wird, bezeichnet man dies<br />

als ein Brückenprinzip. Der Sinn dieses Brückenprinzips ist folgen<strong>der</strong>: Wenn jemand<br />

eine bestimmte Handlung nicht ausführen kann, dann kann nicht moralisch gefor<strong>der</strong>t<br />

werden, dass er sie hätte ausführen sollen. Eine solche moralische For<strong>der</strong>ung<br />

wäre dann schlichtweg sinnlos.<br />

Nehmen wir das Werturteil: Herr x hat sich moralisch schuldig gemacht, indem er<br />

geschehen ließ, dass eine Gruppe von Unschuldigen hingerichtet wurde. Nach dem<br />

Prinzip „Sollen impliziert Können” müsste dieses Werturteil zurückgenommen werden,<br />

wenn belegt werden kann, dass Herr x keinerlei Möglichkeit hatte, die Hinrichtung<br />

zu verhin<strong>der</strong>n. Was er nicht tun konnte, kann nicht moralisch gefor<strong>der</strong>t<br />

werden.<br />

Fassen wir die Überlegungen zum Wertfreiheitsprinzip zusammen. Wertfreiheit for<strong>der</strong>t<br />

nicht, dass in <strong>der</strong> Wissenschaft keine Wertungen vorgenommen werden. Dies<br />

wäre schon deshalb unsinnig, weil ein zentraler Teil wissenschaftlicher Tätigkeit aus<br />

Beurteilungen anhand von epistemischen Werten besteht. Wertfreiheit bedeutet auch<br />

nicht, dass in <strong>der</strong> Wissenschaft moralische Wertungen fehl am Platze wären. Im<br />

Entstehungs- und im Verwertungszusammenhang treffen Wissenschaftler Entscheidungen,<br />

die unter moralischen Gesichtspunkten beurteilt werden können. Wissenschaftler<br />

sind mitverantwortlich für das, was mit den Resultaten ihrer angewandten<br />

Forschung geschieht, denn bei solcher Forschung ist die praktische Verwertung im<br />

Auftrag schon vorgezeichnet. Im Prüfungs- und Rechtfertigungszusammenhang allerdings<br />

sollte nur nach epistemischen Werten entschieden werden.<br />

Werte können auch den Gegenstand <strong>der</strong> Sozialforschung bilden, wobei dann allerdings<br />

die Sozialforschung (nicht Werturteile, son<strong>der</strong>n) Tatsachenaussagen über<br />

Werturteile (z.B. soziale Einstellungen) formuliert. Und schließlich kann die Wissenschaft<br />

ihre eigenen Werte reflektieren. Werte lassen sich zwar nicht in gleicher Weise<br />

prüfen wie empirische Aussagen, sie können aber dennoch rational diskutiert werden.<br />

Literatur<br />

Albert, H. und Topitsch, E. (Hrsg.), Werturteilsstreit, Darmstadt 1971.<br />

Weber, M., Die ‚Objektivität’ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer<br />

Erkenntnis. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (S. 146-214). Tübingen 1988<br />

(ursprünglich erschienen 1904).

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