Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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Forscher, die empirische Untersuchungen dieser Art machen, beginnen ihre<br />
Untersuchungsplanung ungefähr so: In <strong>der</strong> Theorie ist von Frustration und<br />
Aggression die Rede. Diese Begriffe müssen operationalisiert werden. Wie kann man<br />
in <strong>der</strong> Untersuchungssituation auf geeignete Weise Frustration herstellen? Und wie<br />
kann man durch Beobachtung o<strong>der</strong> Messung in <strong>der</strong> Untersuchungssituation<br />
Aggression zuverlässig erfassen?<br />
Allgemein ist es so, dass in Gesetzeshypothesen bzw. in Theorien von Dingen die<br />
Rede ist, die sich <strong>der</strong> Beobachtung entziehen, z.B. von Elektronen o<strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />
Gravitationskraft. Auch psychische Zustände wie Frustration o<strong>der</strong> kognitive<br />
Dissonanz, o<strong>der</strong> psychische Eigenschaften wie Leistungsmotivation o<strong>der</strong><br />
Extraversion kann man bei an<strong>der</strong>en Personen nicht beobachten, son<strong>der</strong>n nur anhand<br />
dessen, was beobachtbar ist, erschließen (bei Emotionen z.B. anhand des<br />
Gesichtsausdruck o<strong>der</strong> einer verbalen Äußerung; bei psychischen Eigenschaften z.B.<br />
durch Beobachtung des Verhaltens o<strong>der</strong> anhand des Messwertes in einem Test). Eine<br />
Operationalisierung erfor<strong>der</strong>t, dass zwischen beobachtbaren und nicht<br />
beobachtbaren Dingen eine Beziehung hergestellt wird. Dies geschieht durch<br />
entsprechende Annahmen, die wir Operationalisierungsannahmen nennen. In<br />
unserem Beispiel lauten sie etwa so:<br />
1) Die experimentelle Prozedur ist geeignet, bei den Versuchspersonen Frustration<br />
zu erzeugen.<br />
2) Der verwendete Fragebogen ist geeignet, verschobene Aggression zu erfassen.<br />
Nennen wir diese Annahmen O 1 und O 2. Erst zusammen mit O 1 und O 2 ist die<br />
Theorie T empirisch überprüfbar. Aus T allein folgt nichts Beobachtbares. Aber aus T<br />
zusammen mit O 1 und O 2 ist die Prüfvorhersage P <strong>der</strong> Untersuchung ableitbar.<br />
Der Begriff <strong>der</strong> Operationalisierung wird vorwiegend in den <strong>Sozialwissenschaften</strong><br />
gebraucht. In <strong>der</strong> Physik, Chemie o<strong>der</strong> Biologie trifft man ihn so gut wie nicht an.<br />
Das Problem, mit dem er zu tun hat, gibt es jedoch in allen empirischen<br />
Wissenschaften. Was wir hier „Operationalisierungsannahmen” nennen, entspricht<br />
in einer physikalischen Untersuchung z.B. <strong>der</strong> Annahme, dass die verwendeten<br />
Instrumente (Fernrohr, Voltmeter) dazu geeignet sind, das zu erfassen, wovon in <strong>der</strong><br />
Theorie die Rede ist.<br />
In <strong>der</strong> <strong>Wissenschaftsphilosophie</strong> spricht man auch selten von Operationalisierung,<br />
son<strong>der</strong>n sagt, dass zur Ableitung einer Prüfvorhersage P bestimmte Hilfshypothesen<br />
akzeptiert werden müssen (sie entsprechen den Operationalisierungsannahmen). Die<br />
Gesamtheit <strong>der</strong> Hilfshypothesen, die bei einer bestimmten Untersuchung<br />
vorausgesetzt werden, nennt man das Hintergrundwissen. Es handelt sich um die<br />
Annahmen, die man als akzeptabel voraussetzt, während man eine spezielle<br />
Gesetzeshypothese überprüfen will.