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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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darzustellen versuchen, was in <strong>der</strong> Wissenschaft tatsächlich passiert. Was nun Kuhn<br />

sagt, ist vorwiegend deskriptiv gemeint, als Beschreibung <strong>der</strong> Forschungspraxis. (So<br />

scheint es zumindest, manchmal ist Kuhn etwas unklar, und man kann den Eindruck<br />

gewinnen, dass er auch normative Aussagen machen will.) Insofern muss das, was er<br />

sagt, nicht unbedingt in Konflikt geraten mit dem, was z.B. <strong>der</strong> Falsifikationismus<br />

sagt. Betrachten Sie z.B.: „Formuliere Theorien so, dass sie falsifizierbar sind.” O<strong>der</strong>:<br />

„Setze eine vorgeschlagene Theorie kritischen Prüfversuchen aus.” Eine solche Regel<br />

steht nicht in Konflikt mit einer deskriptiven Aussage, die behauptet, dass Wissenschaftler<br />

im Allgemeinen keine kritischen Falsifikationsversuche durchführen,<br />

son<strong>der</strong>n unkritisch an ihr Paradigma glauben. (Popper äußerte denn auch zu Kuhn,<br />

es gäbe durchaus den Normalwissenschaftler in Kuhns Sinne, aber dies sei ein<br />

bedauernswerter Mensch.)<br />

Inwieweit ist es denn im deskriptiven Sinne zutreffend, was Kuhn sagt? Vieles ist<br />

wohl richtig. Die Art und Weise, wie Wissenschaftler „sozialisiert” werden, wie sie<br />

erlernen, wie man auf einem bestimmten Gebiet zu arbeiten hat, wird von Kuhn<br />

recht zutreffend beschrieben. Und es ist tatsächlich so, dass grundlegende<br />

Annahmen von vielen Wissenschaftlern so gehandhabt werden, als wären sie tabu.<br />

Auch gibt es das Phänomen, dass man es Anfängern nicht zugesteht,<br />

Grundannahmen zu testen o<strong>der</strong> gar in Frage zu stellen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ist das<br />

Bild, so wie Kuhn es zeichnet, aber stark übertrieben. Folgende Einwände wurden<br />

dagegen erhoben:<br />

– Die Unterscheidung zwischen Normalwissenschaft, in <strong>der</strong> nichts in Frage gestellt<br />

wird und Revolution, die alles umwirft, ist zu extrem. Auch in <strong>der</strong> Phase, die Kuhn<br />

Normalwissenschaft nennt, werden Theorien gestestet, und hin und wie<strong>der</strong> wird<br />

eine Theorie aufgegeben.<br />

– Es stimmt nicht, dass Paradigmen inkommensurabel sind und dass ein Paradigmenwechsel<br />

immer eine völlig neue Sicht über die Tatsachen mit sich bringt.<br />

Vielfach werden in <strong>der</strong> Wissenschaft große Theorien in Bezug auf dieselben Tatsachen<br />

miteinan<strong>der</strong> verglichen (z.B. Newtons Theorie mit <strong>der</strong> allgemeinen Relativitätstheorie),<br />

und man kommt zu dem Ergebnis, dass die eine Theorie den<br />

Tatsachen besser gerecht wird als die an<strong>der</strong>e. So etwas ist in <strong>der</strong> Wissenschaftsgeschichte<br />

immer wie<strong>der</strong> durchgeführt worden und gilt auch heute noch in allen<br />

Erfahrungswissenschaften als eine Selbstverständlichkeit. Ein solches Vorgehen ist in<br />

Kuhns Lehre nicht vorgesehen, und in diesem Punkt ist sie auch als Deskription o<strong>der</strong><br />

Rekonstruktion <strong>der</strong> Wissenschaft unzutreffend.

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