Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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zu werten, und die diesen Zweck auf eine direkten und eindeutige Weise erfüllen.<br />
Man sagt z.B., eine Handlung sei gut/böse, richtig/falsch, anzuerkennen/<br />
abzulehnen; o<strong>der</strong> man sagt, dass jemand etwas tun bzw. lassen soll, dass etwas<br />
geboten/verboten ist usw..<br />
Zweitens gibt es unzählige Wertbegriffe zur Charakterisierung von Personen und<br />
ihren Handlungen, die zugleich eine sachliche und eine wertende Komponente<br />
besitzen. Angenommen, Hans wird charakterisiert als ehrlich, großzügig und fleißig.<br />
Je<strong>der</strong> dieser Begriffe gibt eine sachliche Information über Hans. Zugleich wird<br />
jeweils ausgesagt, dass es gut ist, diese Eigenschaft zu haben. Wenn man sagt, dass<br />
jemand unehrlich o<strong>der</strong> geizig ist, gibt man ebenfalls eine Sachinformation, und hier<br />
sagt man zugleich aus, dass es schlecht ist, so zu sein.<br />
Drittens hängt es vom Kontext ab, ob ein Satz als rein beschreibend o<strong>der</strong> als wertend<br />
zu verstehen ist. In <strong>der</strong> Umgangssprache werden Sätze selten in rein beschreiben<strong>der</strong><br />
Funktion gebraucht. Stellen Sie sich vor, jemand sagt zu seinem Ehepartner: „Du hast<br />
die Heizung nicht abgestellt“. O<strong>der</strong>: „Du hast nichts eingekauft.“ Von <strong>der</strong> Form her<br />
gesehen scheinen dies rein beschreibende Sätze zu sein. Im gegebenen Kontext haben<br />
sie aber eher die Funktion, eine Art von Kritik auszudrücken und werden<br />
wahrscheinlich auch so verstanden. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gibt es Kontexte, in denen<br />
die explizite Vereinbarung besteht, dass nur beschrieben und nicht bewertet werden<br />
soll ist, z.B. zur Darstellung <strong>der</strong> Ergebnisse eines Experiments.<br />
Kommen wir nochmals auf die Wertbegriffe zurück. Ist es nicht ein Nachteil, dass<br />
man bei <strong>der</strong> Beschreibung von Personen auf viele Begriffe angewiesen ist, die neben<br />
ihrer sachlichen auch eine Wertkomponente haben? Der Grund für diese Koppelung<br />
liegt wahrscheinlich darin, dass man im Alltag, wenn man etwas über seine<br />
Mitmenschen aussagt, meist auch eine Bewertung hinzufügen will. Daher haben sich<br />
in <strong>der</strong> Umgangssprache viele Begriffe entwickelt, in denen eine Wertung<br />
mitschwingt. In speziellen Fällen kann dies ein Nachteil sein, nämlich immer dann,<br />
wenn man eigentlich nur beschreiben und nicht werten will, jedoch keine Begriffe<br />
findet, die frei von einer Wertkomponente sind. Daher führen die<br />
<strong>Sozialwissenschaften</strong> manchmal neue Begriffe ein, wenn die schon zur Verfügung<br />
stehenden Begriffe auf dem Gebiet, von dem die Rede ist, eine zu ausgeprägte<br />
Wertkomponente haben. Die Sozialforscher sprechen von den „nicht Sesshaften”<br />
anstatt von den „Sandlern” o<strong>der</strong> „Pennern”. Sie sagen nicht „die Kriminellen”,<br />
son<strong>der</strong>n sprechen von „abweichendem Verhalten”.<br />
Kann man in den Human- und <strong>Sozialwissenschaften</strong> jegliche wertenden Begriffe<br />
vermeiden? Einige <strong>der</strong>jenigen, die für eine ‚wertfreie’ Wissenschaft eintreten, for<strong>der</strong>n<br />
dies. Es ist aber wahrscheinlich nicht möglich. Man ist bei <strong>der</strong> Beschreibung<br />
menschlichen Handelns, menschlicher Eigenschaften und sozialer Tatsachen oft auf<br />
Begriffe angewiesen, die Wertbegriffe sind o<strong>der</strong> zumindest als solche verstanden<br />
werden können. Wenn wir ein Handeln als „Aggression“, als „Hilfeleistung“ o<strong>der</strong>