Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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Himmelskörper bewegen. Interessanterweise gab es nun einige Gelehrte, die zwar<br />
nicht so weit gehen wollten, die Wahrheit <strong>der</strong> Kopernikanischen Theorie zu<br />
behaupten, die aber darauf hinwiesen, dass diese neue Theorie sehr nützlich zur Orientierung<br />
für die Seefahrer sei. Und gegen diese Behauptung hatten die Gegner<br />
nichts; sie konnten nur die Wahrheit <strong>der</strong> Theorie nicht akzeptieren, während sie mit<br />
<strong>der</strong> Nützlichkeitsbehauptung keine Probleme hatten. Sie akzeptierten damit die<br />
Theorie in instrumentalistischer Deutung, während sie die realistische Deutung<br />
ablehnten.<br />
Realisten verlangen von einer Theorie, dass sie mit <strong>der</strong> Realität übereinstimmt, und<br />
dies bedeutet z.B., dass es wirklich Wassermoleküle gibt und dass diese die Struktur<br />
haben, die die Theorie behauptet. Wenn dies <strong>der</strong> Fall ist, gilt die Theorie als wahr (im<br />
Sinne <strong>der</strong> Korrespondenztheorie). Geprüft wird dies nach realistischer Auffassung<br />
anhand <strong>der</strong> Übereinstimmung zwischen den Beobachtungsergebnissen und den aus<br />
<strong>der</strong> Theorie abgeleiteten Prüfaussagen.<br />
Der Instrumentalismus verzichtet auf die Übereinstimmung zwischen Theorie und<br />
solchen theoretischen Entitäten wie Molekülen und ihrer Struktur. Wichtig ist ihm<br />
allein die Übereinstimmung zwischen <strong>der</strong> Theorie und den empirischen, beobachtbaren<br />
Tatsachen, die aus ihr abgeleitet werden können. Diese Übereinstimmung<br />
bezeichnen manche Instrumentalisten als empirische Adäquatheit. Letztere for<strong>der</strong>t natürlich<br />
auch <strong>der</strong> Realist. Aber sie ist ihm nicht genug, er verwendet sie, um darüber<br />
hinaus die Wahrheit <strong>der</strong> Theorie zu prüfen (und dieses Ziel ist aus<br />
instrumentalistischer Sicht eben nicht erreichbar). Aus realistischer Sicht ist das Ziel<br />
also die Wahrheit <strong>der</strong> Aussagen über Beobachtungsaussagen und darüber hinaus die<br />
Wahrheit <strong>der</strong> Aussagen über theoretische Entitäten. Der Instrumentalismus enthält<br />
dagegen nur das Ziel <strong>der</strong> Wahrheit von Beobachtungsaussagen und <strong>der</strong> Nützlichkeit<br />
(bzw. empirischen Adäquatheit) <strong>der</strong> Aussagen, die von theoretischen Entitäten<br />
handeln und die als nicht im eigentlichen (korrespondenztheoretischen Sinne)<br />
wahrheitsfähig angesehen werden.<br />
Der Instrumentalismus leistet damit einen gewissen Verzicht. Die wissenschaftlichen<br />
„Erkenntnisse”, die ihm erreichbar erscheinen, sind eigentlich keine Erkenntnisse in<br />
dem Sinne, wie man sie von <strong>der</strong> Wissenschaft immer erwartet hat und auch heute<br />
noch erwartet, sofern man von dieser philosophischen Diskussion unberührt ist.<br />
Galilei, Newton und Einstein wollten die Wahrheit über die Welt herausfinden. Und<br />
die meisten Menschen glauben auch heute, dass die kostspielige Tätigkeit <strong>der</strong><br />
Wissenschaftler diesem Ziel gewidmet ist. Wenn <strong>der</strong> Instrumentalismus aber Recht<br />
haben sollte, dann sind das, wozu Wissenschaftler jemals gelangen, nichts weiter als<br />
ihre eigenen gedanklichen Konstruktionen. Moleküle, Gene, entfernte Galaxien – es<br />
sind nichts weiter als Ideen, die sich (eigentlich aus merkwürdigen Gründen) dazu<br />
eignen, Berechnungen erfolgreich durchzuführen. Man kann mit einer Theorie, die<br />
instrumentalistisch gedeutet wird, auch nichts erklären, sofern man von Erklärungen