Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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Dies hatte in <strong>der</strong> Psychologie zu <strong>der</strong> Hypothese geführt, dass Personen ein Leistungsmotiv<br />
besitzen. Damit kann man allerdings noch keine feineren Unterschiede<br />
erklären, z.B. folgende Zusammenhänge, die durch empirische Untersuchungen<br />
belegt werden konnten und die zum Teil ein verwirrendes Bild ergeben:<br />
– Viele Personen heben bei Erfolg ihr Anspruchsniveau an. Es gibt aber einige<br />
(scheinbar „atypische”) Personen, die nach Erfolg ihr Anspruchsniveau senken.<br />
– Personen mit relativ hoher Furcht vor Misserfolg zeigen nach Misserfolg einen<br />
Leistungsabfall, Personen mit relativ geringer Furcht vor Misserfolg dagegen nach<br />
Misserfolg einen Leistungsanstieg.<br />
– Die Leistung einer Person nimmt mit dem Anreiz (Gewinn) und mit <strong>der</strong><br />
Gewinnerwartung bei einer Tätigkeit zunächst zu, bei sehr hoher Gewinnerwartung<br />
sinkt sie jedoch wie<strong>der</strong>.<br />
– Personen mit hoher Leistungsmotivation wählen Aufgaben von mittlerer<br />
Schwierigkeit häufiger als Personen mit niedriger Leistungsmotivation.<br />
Dies ist die typische Situation beim Aufbau einer Theorie: Man weiß bereits eine<br />
Menge an einzelnen Fakten und Zusammenhängen. Gesucht ist eine Theorie, die<br />
diese Fakten ordnet. Man hätte gerne einige wenige, grundlegende und möglichst<br />
einfache Annahmen, aus denen dennoch die ganzen Fakten und Zusammenhänge<br />
ableitbar sind.<br />
Atkinson zog bei <strong>der</strong> Entwicklung seiner Theorie verschiedene Elemente aus<br />
an<strong>der</strong>en Theorien heran:<br />
– Aus <strong>der</strong> bisherigen Forschung kannte Atkinson die Idee des Leistungsmotivs und<br />
einige Annahmen über seine Wirkung; beson<strong>der</strong>en Einfluss hatten dabei die<br />
Arbeiten von David McClelland.<br />
– Aus <strong>der</strong> Theorie Kurt Lewins: Die Motivation zum Handeln erklärte Lewin so, dass<br />
im psychischen Bereich einer Person Kräfte existieren, die manchmal im Wi<strong>der</strong>streit<br />
miteinan<strong>der</strong> liegen; am Ende bestimmt die resultierende Kraft das Handeln. (Diese<br />
Art <strong>der</strong> psychologischen Erklärung ist wie<strong>der</strong>um deutlich durch Konzeptionen aus<br />
<strong>der</strong> Physik beeinflusst; Lewin gebrauchte auch aus <strong>der</strong> Physik entlehnte Begriffe wie<br />
Feld, Vektor, Valenz und Kraft.)<br />
– Aus <strong>der</strong> Persönlichkeitstheorie: Personen haben (relativ) stabile Persönlichkeitseigenschaften,<br />
die in einzelnen Situationen das Handeln mitbestimmen.<br />
Atkinson deutete das Leistungsmotiv als eine solche stabile Persönlichkeitseigenschaft.<br />
Wenn jemand ein ausgeprägtes Leistungsmotiv hat, so ist dies ähnlich,<br />
wie wenn jemand stark introvertiert o<strong>der</strong> extravertiert ist.<br />
– Aus <strong>der</strong> Theorie rationalen Entscheidens: Eine Person wählt diejenige Handlung<br />
unter mehreren Alternativen, für die das Produkt aus Anreiz und Gewinnerwartung<br />
am größten ist.