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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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obwohl auch sie fehlbar sind. In <strong>der</strong> Wissenschaft werden zwar ständig Annahmen<br />

korrigiert o<strong>der</strong> ganz überholt, aber es lässt sich (so <strong>der</strong> Realist) zeigen, dass in diesem<br />

Prozess einige Erkenntnisse gewonnen und auch erhalten bleiben. Wie soll man sich<br />

dies vorstellen? Zwei Ansätze hierzu seien erwähnt:<br />

Manche Gesetze, die die Wissenschaft entdeckt hat, haben bereits seit längerer Zeit<br />

Bestand, und es erscheint nicht zwingend, dass auch sie sich als falsch erweisen<br />

werden. Einige Beispiele: Wasser ist H2O. – Wasserstoff besteht aus Atomen mit<br />

einem Elektron. (Hier könnte man eine enorme Zahl weiterer Gesetze folgen lassen,<br />

die etwas über den molekularen o<strong>der</strong> atomaren Aufbau von Stoffen sagen.) – Die<br />

Gene sind die Träger <strong>der</strong> Erbinformation. – Die Informationsübertragung im<br />

Nervensystem erfolgt durch Aktionspotentiale an den Nervenzellen. – Aggression<br />

kann gelernt werden und setzt nicht immer Frustration voraus (wie zeitweise<br />

behauptet wurde).<br />

All dies sind einmal bedeutende Entdeckungen gewesen, und sie sind seitdem nicht<br />

falsifiziert worden. Sie sind inzwischen die Grundlage für weitere Forschungen, die<br />

ins Detail gehen. Es gibt viele solche Gesetze, und es besteht kein Grund zu <strong>der</strong><br />

Annahme, dass sie alle o<strong>der</strong> die meisten von ihnen einmal als falsch verworfen<br />

werden müssen (was nicht gleichbedeutend damit ist, dass sie als sicher begründet<br />

gelten können).<br />

Es gibt einige Entwicklungen in den Wissenschaften, in denen man sich Schritt für<br />

Schritt näher an die tatsächlichen Verhältnisse anzunähern scheint. Z.B. glaubte<br />

Kopernikus, dass sich die Planeten einschließlich <strong>der</strong> Erde in Kreisen um die Sonne<br />

bewegen. Diese Theorie enthält die Teilannahme, dass sich die Planeten um die<br />

Sonne bewegen und nicht, wie im alten Weltbild des Ptolemäus, alle Himmelskörper<br />

um die Erde. Diese Erkenntnis war ein bedeuten<strong>der</strong> Fortschritt. Die zweite<br />

Teilannahme besagt, dass die Bahnen Kreise sind. Kepler zeigte später, dass es nicht<br />

Kreise, son<strong>der</strong>n Ellipsen sind. Und aus <strong>der</strong> Theorie Newtons folgt, dass die Planeten,<br />

die nicht nur von <strong>der</strong> Sonne angezogen werden, son<strong>der</strong>n auch untereinan<strong>der</strong> eine<br />

Gravitationskraft ausüben, nicht exakt die Keplerschen Bahnen aufweisen, jedoch<br />

annähernd.<br />

Ähnlich ist es mit dem Fallgesetz. Galilei fand, dass frei fallende Körper konstant<br />

beschleunigt werden. Aus Newtons Theorie ergibt sich allerdings, dass dies nur<br />

annäherungsweise richtig ist. Die Beschleunigung wird nämlich größer, je näher <strong>der</strong><br />

Körper dem Erdmittelpunkt kommt. Wenn aber die Fallhöhe im Vergleich zum<br />

Erdradius sehr klein ist, fällt diese Zunahme <strong>der</strong> Beschleunigung kaum ins Gewicht,<br />

und man kann Galileis Fallgesetz als annäherungsweise zutreffend betrachten.<br />

Solche Entwicklungen haben Popper auf die Idee gebracht, dass <strong>der</strong> Fortschritt <strong>der</strong><br />

Wissenschaft in einer Annäherung an die Wahrheit besteht. Die jeweils nachfolgenden<br />

Theorien müssen nicht wahr sein, wir können damit rechnen, dass sie ebenfalls<br />

einmal falsifiziert werden, und doch besteht Grund zu <strong>der</strong> Annahme, dass das

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