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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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Kann man nun auch solche Gegenstände als real auffassen, die menschlicher Erfahrung<br />

nicht zugänglich sind bzw. nur mit Hilfe hochkomplexer Instrumente o<strong>der</strong> anhand<br />

ihrer Wirkungen ausgemacht werden können? Wissenschaftliche Theorien handeln<br />

gerade von solchen Gegenständen, wie z.B. Atomen, Elektronen, entfernten<br />

Galaxien, Genen, dem Leistungsmotiv usw.. Man nennt sie deshalb theoretische<br />

Entitäten. Sind wir zu <strong>der</strong> Annahme berechtigt, dass es theoretische Entitäten<br />

wirklich gibt, dass sie im selben Sinne existieren, wie Steine und Bäume? O<strong>der</strong> sollte<br />

man sie als bloße Phantasieobjekte auffassen?<br />

Genauer gefragt: Ist es möglich, über theoretische Entitäten Aussagen (Hypothesen<br />

und Theorien) zu formulieren und von diesen Aussagen zu zeigen, dass es Gründe<br />

gibt, sie (vorläufig) für wahr zu halten? Wer dies bejaht, vertritt eine Auffassung von<br />

Theorien, die man als wissenschaftstheoretischen Realismus bezeichnet. Theorien<br />

bestehen danach aus Aussagen, die beschreibenden (o<strong>der</strong> darstellenden) Charakter<br />

haben. Während Beobachtungsaussagen die Tatsachen beschreiben, die wir<br />

wahrnehmen, beschreiben theoretische Aussagen die Tatsachen im Bereich des nicht<br />

(ohne Hilfsmittel) Beobachtbaren.<br />

Der wissenschaftstheoretische Realismus lässt sich gut mit <strong>der</strong> Korrespondenztheorie<br />

<strong>der</strong> Wahrheit verbinden: Eine Theorie T ist wahr genau dann, wenn ihre Aussagen auf<br />

die theoretischen Entitäten, von denen sie handelt, tatsächlich zutreffen; an<strong>der</strong>nfalls<br />

ist sie falsch. Die Wahrheit einer Theorie setzt also voraus, dass ihre theoretischen<br />

Entitäten existieren und verlangt zusätzlich, dass diese sich so verhalten, wie es die<br />

Aussagen <strong>der</strong> Theorie behaupten.<br />

Der wissenschaftstheoretische Realismus stellt in gewissem Sinne eine optimistische<br />

Auffassung <strong>der</strong> Wissenschaft dar. Danach ist Forschung nämlich gleichbedeutend<br />

mit <strong>der</strong> fortwährenden Entdeckung neuer Tatsachen in <strong>der</strong> Welt: Unsere<br />

Wahrnehmung kann uns keinen Aufschluss darüber geben, wie die Materie<br />

aufgebaut ist; die Wissenschaft kann es und hat die Lehre von den Atomen<br />

entwickelt und begründet. Mit bloßem Auge sehen wir keine entfernten Sterne und<br />

Galaxien. Die Wissenschaft ergründet diese entfernten Welten und darüber hinaus<br />

die wirkliche Struktur des Weltalls. Heute ist die Wissenschaft dabei, weitere Rätsel<br />

zu lösen, wie diejenigen, worauf das Leben beruht, was das Wesen des menschliches<br />

Geistes ist usw..<br />

Ein Realismus in diesem Sinne ist nicht automatisch verbunden mit einer bestimmten<br />

Methode <strong>der</strong> Erkenntnis, etwa <strong>der</strong> hypothetisch-deduktiven Methode. Viele<br />

Anhänger eines Induktivismus waren ebenfalls Realisten. Popper und seine Anhänger<br />

sind Realisten. Und es gab auch Vertreter eines Realismus, die absolut gesichertes<br />

Wissen für möglich halten. Eine solche Auffassung wird heute aber kaum vertreten.<br />

Im Folgenden betrachten wir nur solche Versionen des wissenschaftstheoretischen<br />

Realismus, die Erkenntnis im Sinne von bestätigten, jedoch prinzipiell fehlbaren<br />

Aussagen auffassen.

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