Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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sten. – Allgemein gesprochen: Zur Konstruktion gehaltvoller und zugleich einfacher<br />
Theorien hat es sich als hilfreich erwiesen, sich den Gegenstandsbereich <strong>der</strong> Theorien<br />
etwas vereinfacht zu denken. Die Ausarbeitung <strong>der</strong> Theorie gelingt dann leichter.<br />
Später kann man versuchen, einige <strong>der</strong> Vereinfachungen wie<strong>der</strong> zurückzunehmen.<br />
Oft ist es allerdings so, dass gewisse Vereinfachungen bestehen bleiben.<br />
Es ist ersichtlich, dass zwischen diesen idealen Modellen und <strong>der</strong> zuvor behandelten<br />
Unvollständigkeit von Theorien eine Beziehung besteht. Wenn man sich den<br />
Gegenstandsbereich einer Theorie als ideales Modell denkt, resultiert eine Theorie,<br />
die in bestimmten Punkten unvollständig ist. Es wird dann immer gewisse externe<br />
Faktoren geben, die auf das, was man erklären will, auch einen Einfluss haben, die<br />
jedoch in <strong>der</strong> Theorie nicht vorkommen.<br />
Was besagt nun eigentlich eine Theorie, die in Verbindung mit einem idealen Modell<br />
gedacht wird? Man drückt dies am besten so aus: Wenn Gegenstände<br />
annäherungsweise so beschaffen sind wie im idealen Modell, dann gelten die<br />
Aussagen, die zur Theorie gehören. Mit an<strong>der</strong>en Worten, die Aussagen <strong>der</strong> Theorie<br />
werden nur für den Fall behauptet, dass die realen Gegenstände denen im Modell<br />
annähernd entsprechen. Die Ausdehnung <strong>der</strong> Körper muss relativ zu ihren<br />
Entfernungen voneinan<strong>der</strong> so verschwindend klein sein, dass man sie wie<br />
Massenpunkte behandeln kann. Die intrinsische Leistungsmotivation muss im<br />
Vergleich zu an<strong>der</strong>en Motiven so groß sein, dass man von den an<strong>der</strong>en absehen<br />
kann. Man kann so tun, als seien die realen Gegenstände o<strong>der</strong> Personen von den<br />
idealen nicht zu unterscheiden. Die Theorieprüfung wird durch diesen Umstand<br />
erschwert. Wenn empirische Ergebnisse den Vorhersagen mit <strong>der</strong> Theorie nicht<br />
entsprechen, muss man immer auch überlegen, ob dies daran liegen könnte, dass die<br />
vom idealen Modell gefor<strong>der</strong>ten Bedingungen in <strong>der</strong> empirischen Untersuchungssituation<br />
nicht ausreichend verwirklicht waren.<br />
Weiterführende Hinweise und Literatur<br />
Die Unvollständigkeit von Theorien in den Human- und <strong>Sozialwissenschaften</strong> wird<br />
erläutert in Gadenne, V., Theorie und Erfahrung in <strong>der</strong> psychologischen Forschung,<br />
Tübingen 1984, Kap. 4. – Gadenne, V., Philosophie <strong>der</strong> Psychologie, Bern 2004, Kap. 6.<br />
Nancy Cartwright vertritt die These, dass alle Gesetze, auch die physikalischen,<br />
Ceteris-paribus-Gesetze seien. Vgl. dazu ihr Buch mit dem provokanten Titel: How<br />
the laws of physics lie, Oxford 1983.<br />
Einige Wissenschaftstheoretiker sind zu <strong>der</strong> Auffassung gekommen, dass man<br />
Theorien überhaupt nicht mehr als Aussagensysteme auffassen sollte – sie nennen<br />
dies die Aussagenkonzeption o<strong>der</strong> „Statement View” (dies ist die Auffassung, die oben<br />
anhand <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> Leistungsmotivation dargestellt wurde). Man solle eine