Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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deduktiv-nomologischen „Erklärungsmodell”. Diese normative Bedeutung werden<br />
wir im folgenden aber nicht weiter betrachten, son<strong>der</strong>n uns auf eine an<strong>der</strong>e Rolle von<br />
Modellen konzentrieren: Modelle als Darstellungsmittel und als Hilfsmittel für<br />
Untersuchungen und für das Denken im Rahmen <strong>der</strong> Theorienbildung.<br />
Um Erkenntnisse über die Welt zu gewinnen, ist es notwendig, Sachverhalte und<br />
Zusammenhänge darzustellen. Auch die Wahrnehmung und das Denken leisten<br />
schon eine Darstellung, denn Wahrnehmen, Vorstellen und Denken setzen eine<br />
geistige (kognitive) Repräsentation von Sachverhalten voraus. Wenn ich ein<br />
vorbeifahrendes Auto sehe, bilde ich in diesem Augenblick ein geistiges Bild dieses<br />
gesehenen Ereignisses. Wenn ein Physiker über die Bewegung <strong>der</strong> Planeten<br />
nachdenkt, muss er hierzu eine kognitive Repräsentation <strong>der</strong> Planeten gebildet<br />
haben.<br />
Mit bloßen Wahrnehmungen und Vorstellungen würde man allerdings in <strong>der</strong><br />
Wissenschaft nicht weit kommen, denn Beobachtungen und Hypothesen müssen<br />
festgehalten und weitervermittelt werden. Hierzu dient den Wissenschaftlern die<br />
Sprache als Darstellungsmittel: die normale Umgangssprache, angereichert durch<br />
fachspezifische Termini, ergänzt durch Logik und Mathematik.<br />
Aber die Sprache ist nicht das einzige Darstellungsmittel. Wissenschaftler stellen ihre<br />
Untersuchungsgegenstände auch mit Hilfe von Modellen dar, und ihr Denken und<br />
Schlussfolgern bewegt sich oft in einer Welt von Modellen. Ein Modell ist in diesem<br />
Zusammenhang ein Objekt, das in Analogie zu einem an<strong>der</strong>en Objekt, dem Original,<br />
zu einem bestimmten Zweck geschaffen wurde. Das Modell soll dem Original in<br />
bestimmten Aspekten ähnlich sein. Es kann dazu dienen, diese Aspekte des<br />
Originals zu demonstrieren, o<strong>der</strong> auch dazu, bestimmte Untersuchungen<br />
anzustellen, die man am Original nicht durchführen kann o<strong>der</strong> darf. Das Modell<br />
kann ein physisches Objekt sein, aber auch ein Zeichensystem o<strong>der</strong> ein ideelles<br />
Objekt. Wir betrachten einige Beispiele und wenden uns dann beson<strong>der</strong>s den<br />
„idealen Modellen” zu.<br />
Je<strong>der</strong> kennt die anschaulichen Modelle, mit <strong>der</strong>en Hilfe bestimmte Objekte, die von<br />
einer Theorie postuliert werden, dem Auge zugänglich gemacht werden sollen.<br />
Atome sind zu klein, um sichtbar zu sein, aber man kann aus bunten Billardbällen<br />
ein vergrößertes, sichtbares Atom basteln. Das Sonnensystem kann man mit bloßem<br />
Auge nicht überblicken, aber in vielen Museen und Planetarien kann man es im<br />
Modell studieren, oft sogar mit sich bewegenden Objekten. Das Innere des<br />
menschlichen Körpers bekommt im Original in <strong>der</strong> Regel nur ein Mediziner zu<br />
sehen, aber im Modell können Schüler die Leber und die Milz herausnehmen und an<br />
<strong>der</strong> richtigen Stelle wie<strong>der</strong> einsetzen. Solche Modelle zur Illustration und Lehre sind,<br />
wie alle Modelle, dem echten Atom o<strong>der</strong> dem echten Sonnensystem natürlich nur in<br />
bestimmten Aspekten ähnlich. Diese Aspekte muss man genau beachten, um nicht<br />
dem Modell Tatsachen zu entnehmen, die das Original nicht hat. Das echte Elektron