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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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schon voraussetzt. Dies ist fatal für den Begründungsversuch. Man nennt einen<br />

Schluss, bei <strong>der</strong> das zu Begründende (manchmal unbemerkt) schon vorausgesetzt<br />

wird, eine petitio principii o<strong>der</strong> einen Zirkelschluss. Ein solcher Schluss ist stets<br />

abzulehnen. Das Resultat ist: Durch Erfahrung kann man Induktion nicht<br />

begründen.<br />

Aber nun stellt sich eine an<strong>der</strong>e Frage: Denken wir denn nicht häufig induktiv?<br />

Wenn wir z.B. die Erfahrung machen, dass es schmerzhaft ist, an den heißen Ofen zu<br />

fassen, schließen wir dann nicht induktiv (und zu recht), dass es auch weiterhin<br />

schmerzhaft sein wird, diese Handlung zu wie<strong>der</strong>holen? Es war Humes<br />

Überzeugung, dass Personen tatsächlich induktiv schließen und dass sie es auch<br />

nicht vermeiden können, dies zu tun. Er glaubte, dass es zu unserer Natur gehört, so<br />

zu denken. Und daher kam er zu dem Ergebnis, dass die Menschen irrational sind:<br />

Die Menschen denken induktiv. Induktion ist nicht rational begründbar. Also sind<br />

die Menschen irrational.<br />

Es ist mit <strong>der</strong> Induktion merkwürdig. Manchmal hat man den Eindruck, dass es<br />

absolut überzeugend sei, induktiv zu schließen. So verhält es sich bei dem Beispiel<br />

mit dem Anfassen des heißen Ofens. Wir würden jemanden als verrückt erklären,<br />

<strong>der</strong> sagen würde: „Es wäre ein induktiver Schluss anzunehmen, dass es beim<br />

nächsten Hinfassen wie<strong>der</strong> zu einer Schmerzempfindung kommen wird. Also gibt es<br />

keinerlei rationalen Grund dafür, nicht wie<strong>der</strong> hinzufassen.” An<strong>der</strong>erseits gibt es<br />

Situationen, in denen es ebenso absurd erscheint, von den bisherigen Fällen auf<br />

weitere zu schließen, etwa: Der erste Wan<strong>der</strong>er, den ich treffe, ist ein Hollän<strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />

zweite ist ein Hollän<strong>der</strong>; also werde ich nur Hollän<strong>der</strong> auf meiner Wan<strong>der</strong>ung<br />

treffen.<br />

Von Bertrand Russell stammt das Beispiel des induktiven Truthahns. Er denkt: Ich<br />

wurde vorgestern gefüttert, ich wurde gestern gefüttert, ich wurde heute gefüttert,<br />

also werde ich jeden Tag gefüttert. Und je<strong>der</strong> weitere Fütterungstag stärkt seine<br />

Überzeugung, dass er immer gefüttert wird. Wir als außenstehende Beobachter<br />

wissen um den Irrtum des Truthahns, da mit je<strong>der</strong> Fütterung <strong>der</strong> Tag näher rückt, da<br />

er aufgegessen werden soll.<br />

Man könnte versucht sein, zu sagen: Man darf eben nur in denjenigen Fällen<br />

induktiv schließen, in denen zwischen A und B wirklich ein gesetzmäßiger Zusammenhang<br />

besteht, nicht dagegen in den Fällen, in denen nur zufällig einige Male<br />

B auf A folgte. Aber eine kurze Überlegung zeigt, dass diese Antwort die Lösung des<br />

Problems bereits voraussetzt, für das wir die Induktion einführen wollten. Sie sollte<br />

eingeführt werden, um Gesetze zu begründen. Wenn man die Gesetze bereits kennen<br />

muss, um Induktion in gegebenen Fall zu rechtfertigen, dann braucht man sie gar<br />

nicht. Die Frage, wie man Gesetze begründen kann, ist also nach wie vor offen.<br />

Die Wissenschaftsgeschichte lehrt, dass sich wie<strong>der</strong>holende Ereignisse und<br />

beobachtete Regelmäßigkeiten als irreführend erweisen können. In manchen Fällen

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