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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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gar nicht interessiert waren und froh waren, dass er ausfiel. War <strong>der</strong> Fragebogen<br />

geeignet, verschobene Aggression zu erfassen? Es könnte sein, dass die Jugendlichen<br />

die nur in ihrer Vorstellung präsenten Mexikaner o<strong>der</strong> Japaner gar nicht als<br />

geeignete Objekte ihrer aggressiven Gefühle empfunden haben, o<strong>der</strong> dass sie<br />

vielleicht zu diesem Zeitpunkt sich gar nicht mehr ernsthaft mit den Testfragen<br />

beschäftigt, son<strong>der</strong>n eher unbeteiligt etwas angekreuzt haben.<br />

Dadurch wird die hypothetisch-deduktive Methode komplizierter. Spielen wir die<br />

Möglichkeiten durch. Angenommen, das vorhergesagte P tritt ein. In diesem Fall ist<br />

es vorläufig nicht notwendig, eine <strong>der</strong> Annahmen aus H und HW zu än<strong>der</strong>n. Wir<br />

wissen allerdings, dass das Resultat P keine Wahrheitsgarantie für H darstellt.<br />

Wenn ¬P eintritt, so stellt sich die Frage, wo <strong>der</strong> Fehler liegt. Er könnte in H o<strong>der</strong> in<br />

HW liegen. Nun ist es eigentlich H, das überprüft werden sollte. Es wäre daher<br />

wünschenswert, dass man im Falle von ¬P eindeutig schließen könnte, dass H falsch<br />

ist. Aber dies lässt die Logik nicht zu. Sie lässt nur eine Schlussfolgerung zu, die viel<br />

weniger eindeutig ist: Mindestens eine Annahme aus T und HW ist falsch. Erst wenn<br />

man voraussetzt, dass HW wahr ist, ergibt sich eine Falsifikation von H. Aber weiß<br />

man, dass HW wahr ist?<br />

Dies ist <strong>der</strong> Haupteinwand, <strong>der</strong> gegen Poppers hypothetisch-deduktive Methode<br />

vorgebracht worden ist. Genau lautet die Kritik: Popper sagt mit Recht, dass<br />

induktive Schlüsse nicht zwingend sind. Man kann in <strong>der</strong> Tat nicht von<br />

Beobachtungen darauf schließen, dass eine Gesetzeshypothese H wahr ist. Popper<br />

behauptet aber, dass die Falsifikation eindeutig und zwingend sei: Man könnte von<br />

¬P darauf schließen, dass H falsch ist. Aber auch dies stimmt nicht. Auch die<br />

Falsifikation ist nicht zwingend. Der Falsifikationsschluss trifft nur die Gesamtheit<br />

<strong>der</strong> Annahmen H und HW, was eine wenig eindeutige Information ist. O<strong>der</strong> aber<br />

man muss HW einfach voraussetzen, und dies war nicht die ursprüngliche<br />

Zielsetzung bei <strong>der</strong> Konzeption <strong>der</strong> hypothetisch-deduktiven Methode. Ursprünglich<br />

sollten wenigstens Falsifikationsentscheidungen eindeutig und allein aufgrund von<br />

Beobachtungsergebnissen möglich sein, und nicht unter Voraussetzung von<br />

Annahmen wie O 1 o<strong>der</strong> O 2, die selbst stark hypothetischen Charakter haben.<br />

Ohne Falsifikationsmöglichkeit gibt es auch keine Bewährung. Letztere ist an die<br />

Annahme geknüpft, dass man Hypothesen falsifizieren kann, denn Bewährung ist<br />

nichts an<strong>der</strong>es als ein gescheiterter Falsifikationsversuch: Es wurde ernsthaft<br />

versucht, H zu prüfen. Der Prüfversuch führte nicht zu einer Falsifikation, daher ist<br />

es berechtigt, H als bewährt zu betrachten. Es ist klar, dass diese Methode nicht<br />

funktionieren kann, wenn es sich zeigen sollte, dass Hypothesen gar nicht<br />

falsifizierbar sind. Ohne Falsifikationsmöglichkeit keine Bewährung.<br />

Weiterhin droht ohne die Möglichkeit <strong>der</strong> Falsifikation die Idee eines Erkenntnisfortschritts<br />

zusammenzubrechen. Falsifikationen sollen lehren, welche Hypothesen<br />

falsch sind, damit man anhand dieser Erfahrung bessere Hypothesen formulieren

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