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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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7. Die hypothetisch-deduktive Methode: Teil 2<br />

Bei <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> hypothetisch-deduktiven Methode in Teil 7 sind wir von<br />

einer bestimmten Problemsituation ausgegangen: Gesetzeshypothesen, also<br />

allgemeine Aussagen, sollen geprüft werden. Verifiziert werden können sie nicht, da<br />

induktive Schlüsse nicht gerechtfertigt werden können. Sie können aber falsifiziert<br />

werden, da hierzu ein einziges Gegenbeispiel genügt.<br />

In <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Poppers Lehre seit dem Erscheinen seiner „Logik <strong>der</strong><br />

Forschung” hat sich nun gezeigt, dass diese Auffassung des Problems zu einfach ist.<br />

Die tatsächliche Problemsituation in den Wissenschaften ist komplexer, und dies<br />

macht es erfor<strong>der</strong>lich, die hypothetisch-deduktive Methode zu modifizieren. Um zu<br />

erläutern, worin die entsprechenden Schwierigkeiten liegen, betrachten wir nun<br />

erneut eine Fallstudie zum Thema Hypothesenprüfung.<br />

7.1 Hypothesenprüfung: eine Fallstudie<br />

Im Jahr 1948 führten Miller und Bugelski eine Untersuchung durch, <strong>der</strong>en<br />

Fragestellung auch heute noch durchaus aktuell erscheint. Sie lautete: Geht<br />

Aggression gegenüber Fremdgruppen vielleicht auf Frustrationen zurück, die gar<br />

nicht durch Angehörige dieser Fremdgruppen verursacht werden (sogenannte<br />

verschobene Aggression). Die Fremdgruppen hätten sozusagen die Rolle eines<br />

„Sündenbocks”. Die meisten Menschen erleben regelmäßig Frustrationen, gegen<br />

<strong>der</strong>en Urheber sie nichts ausrichten können. Sie können nicht aggressiv gegenüber<br />

diesen Urhebern werden, weil diese nicht greifbar, zu mächtig o<strong>der</strong> vielleicht auch<br />

unbekannt sind. Diese Aggressionen richten sich dann stattdessen gegen Personen,<br />

die sich dafür zu „eignen” scheinen und sich wenig wehren können, z.B. soziale<br />

Minoritäten. Die Forscher setzten ihre Problemstellung in folgende Hypothesen um:<br />

1) Frustration führt zu Aggression<br />

2) Wenn die Quelle <strong>der</strong> Frustration unangreifbar ist, so wird die Aggression auf ein<br />

an<strong>der</strong>es, verfügbares Objekt gerichtet.<br />

Da es um zwei Hypothesen geht, die inhaltlich miteinan<strong>der</strong> verbunden sind, kann<br />

man das Ganze als eine Theorie bezeichnen. Wir nennen sie im Folgenden kurz T.<br />

Die untersuchten Personen waren amerikanische Jungen in einem<br />

Sommerferienlager. Der Untersuchungsplan hatte die Form eines Feldexperiments,<br />

eines Experiments in einer natürlichen Situation (anstatt im Labor). Frustration<br />

wurde folgen<strong>der</strong>maßen erzeugt: Die Jungen mussten an einer langen Reihe von<br />

ziemlich langweiligen Tests teilnehmen. Die Testsitzung wurde absichtlich so lange<br />

ausgedehnt, dass <strong>der</strong> abendliche Theaterbesuch ausfiel, <strong>der</strong> für die Jungen ein Höhepunkt<br />

<strong>der</strong> Woche war. Verschobene Aggression wurde folgen<strong>der</strong>maßen zu erfassen<br />

versucht: Die Testreihe enthielt am Anfang und am Ende <strong>der</strong> Sitzung Skalen zur

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