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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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11. Verstehen und Erklären<br />

- 132 -<br />

Wir haben uns zu Beginn dieser Veranstaltung mit dem Erklären beschäftigt und im<br />

Zusammenhang damit die nomologische Zielsetzung erläutert: Die empirischen<br />

Wissenschaften haben das Ziel, in ihrem jeweiligen Bereich Gesetze zu finden, die<br />

dann für Erklärungen und Vorhersagen sowie zur Lösung praktischer Probleme<br />

herangezogen werden sollen. Dabei wurde vorläufig davon ausgegangen, dass diese<br />

Zielsetzung für alle empirischen Wissenschaften dieselbe ist, d.h. für die<br />

Naturwissenschaften Physik, Chemie und Biologie ebenso wie für die Human- und<br />

<strong>Sozialwissenschaften</strong>.<br />

Oben wurde schon angedeutet, dass diese Position einer einheitlichen Zielsetzung<br />

aller empirischen Wissenschaften nicht von allen Wissenschaftsphilosophen geteilt<br />

wird. Einige vertreten nämlich die Auffassung, dass in den Human-und<br />

<strong>Sozialwissenschaften</strong> das nomologische Erklären unangemessen ist. Stattdessen wird<br />

die Methode des Verstehens vorgeschlagen. Im Folgenden werden zwei<br />

Denkrichtungen vorgestellt, die das Verstehen befürworten.<br />

11.1 Verstehen als Nacherleben<br />

Zu Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts begründete Wilhelm Dilthey (1833-1911) eine Lehre<br />

vom Verstehen. Sie war dazu bestimmt, den Geisteswissenschaften (im Gegensatz zu<br />

den Naturwissenschaften) eine methodische Grundlage zu geben. Seine Lehre ist<br />

wesentlich beeinflusst durch Gedanken <strong>der</strong> Philosophen Hegel und Schopenhauer.<br />

(Zum Vergleich: Die <strong>Wissenschaftsphilosophie</strong>, die Sie bisher in dieser Veranstaltung<br />

kennen gelernt haben, steht eher in <strong>der</strong> Denktradition <strong>der</strong> Philosophen Hume und<br />

Kant.)<br />

Die für unser Thema wichtigen Aussagen Diltheys lassen sich so zusammenfassen:<br />

Die anorganische Natur können wir nur „von außen” betrachten. Die Ereignisse in<br />

dieser Natur versuchen wir zu erklären, durch Verweis auf Gesetze und Ursachen.<br />

Dies ist die Methode <strong>der</strong> Naturwissenschaften. An<strong>der</strong>s ist es in den Wissenschaften<br />

vom Menschen. (Dilthey sprach von den „Geisteswissenschaften”; dies deckt sich<br />

weitgehend mit dem, was wir heute „Human- und <strong>Sozialwissenschaften</strong>” nennen.)<br />

Den Menschen mit seinen Bewusstseinszuständen können wir „von innen her”<br />

erkennen. Wir können uns in die psychischen Zustände <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en hineinversetzen,<br />

weil wir unsere eigenen psychischen Zustände aus <strong>der</strong> inneren Erfahrung kennen.<br />

Durch Hineinversetzen in die Situation eines an<strong>der</strong>en Menschen, durch Nacherleben<br />

können wir dessen Verhalten verstehen. Verstehen ist erlebende Einfühlung, es hat<br />

die Form eines Analogieschlusses.<br />

Dilthey behandelte in seiner Lehre das Verstehen unterschiedlicher „Lebensäußerungen”,<br />

womit er unterschiedliches menschliches Verhalten einschließlich seiner

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