Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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2.2 Erklärung von Einzelereignissen und Erklärung von Gesetzen<br />
Man kann nun nicht nur Einzelereignisse erklären, son<strong>der</strong>n auch Gesetze selbst. So<br />
kann z.B. die Physiologie erklären, warum <strong>der</strong> Verzehr des Knollenblätterpilzes<br />
giftig ist. Hierzu wird sie darauf zu sprechen kommen, welche Toxine in dem Pilz<br />
enthalten sind, wie diese sich auf die Leber o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Organe auswirken und wie<br />
es schließlich zu den typischen Symptomen kommt. Alle diese Aussagen, die<br />
gegenüber <strong>der</strong> ursprünglichen Gesetzesaussage stärker ins Detail gehen, indem sie<br />
etwas über die <strong>der</strong> Vergiftung zugrunde liegenden physiologischen Prozesse<br />
aussagen, haben selbst die Form von Gesetzen. Das zu erklärende Gesetz sagt, dass<br />
A zu B führt. Ein solcher Zusammenhang ist z.B. erklärbar durch drei Gesetze von<br />
<strong>der</strong> folgenden Form: Das erste besagt, dass A zu C führt. Das zweite informiert uns<br />
darüber, dass C zu D führt. Und das dritte besagt schließlich, dass D zu B führt. Für<br />
solche Erklärungen von Gesetzen durch an<strong>der</strong>e Gesetze gelten ebenfalls die Adäquatheitsbedingungen<br />
1 bis 4.<br />
Erklärungen sind ein zentrales Ziel <strong>der</strong> Wissenschaften, die sich mit <strong>der</strong> realen Welt<br />
befassen. Letzteres muss man hinzufügen, da es ja auch die Formalwissenschaften<br />
gibt, die Logik und die Mathematik, und <strong>der</strong>en Ziele und Vorgehensweisen sind<br />
verständlicherweise verschieden von denjenigen Wissenschaften, die sich mit <strong>der</strong><br />
realen Welt befassen und ihre Hypothesen anhand von empirischen Beobachtungen<br />
überprüfen.<br />
Um die Problematik des Erklärens noch besser verständlich zu machen, sollte noch<br />
etwas näher erläutert werden, in welchen Situationen die dargestellten Erklärungen<br />
vorkommen. Die Erklärung eines Einzelereignisses kommt vor allem im Alltags- und<br />
Berufsleben vor, und zwar immer dann, wenn es für ein bestimmtes Ereignis<br />
einerseits keine offensichtliche Erklärung gibt und wenn es an<strong>der</strong>erseits als wichtig<br />
genug erachtet wird, um eine Erklärung zu verdienen: Warum ist diese Brücke<br />
eingestürzt? Wie ist es zu dem Brand im Hochhaus gekommen? Warum stört Ernst<br />
ständig den Unterricht? Warum hat Daniel die Prüfung nicht bestanden, obgleich er<br />
im Unterricht so kompetent erschien? Zu solchen Fragen werden dann oft Experten<br />
herangezogen, weil man davon ausgeht, dass sie die für das Problem relevanten<br />
wissenschaftlichen Gesetze am besten kennen und anwenden können. Wo kommen<br />
diese Gesetze her? Es handelt sich um Erkenntnisse, die von den einzelnen<br />
Wissenschaften geliefert werden. Wer eine dieser Wissenschaften studiert hat, besitzt<br />
ein entsprechende Wissen (bzw. sollte es besitzen) und kann es einsetzen, wenn es<br />
darum geht, eine wissenschaftliche Erklärung vorzunehmen.<br />
In den Wissenschaften geht es neben <strong>der</strong> Erklärung von Einzelereignissen auch um<br />
die Erklärung von Gesetzen durch grundlegen<strong>der</strong>e Gesetze. Die Menschen haben<br />
z.B. schon lange ein Wissen darüber, dass bestimmte Pilze genießbar und an<strong>der</strong>e<br />
giftig sind. Dieses Wissen ist selbst schon ein Wissen über Gesetzmäßigkeiten. Um<br />
diese wie<strong>der</strong>um zu erklären, benötigt man Gesetze aus <strong>der</strong> Biochemie und