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Die Juden und das Dritte Reich

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werden; man hatte nicht <strong>das</strong> Recht, einen Verw<strong>und</strong>eten zu töten oder zu quälen -<br />

aber Franktireure <strong>und</strong> Spione waren durch keinen Paragraphen geschützt ... Das<br />

alles lief unter der Rubrik "Kriegsverbrechen", <strong>das</strong> Nürnberger Statut trennte<br />

davon die "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" ab, aber <strong>das</strong> war nur ein<br />

neues Wort, kein neuer Begriff, denn die beiden Tatbestände unterschieden sich<br />

nicht in der Sache.<br />

Was die Ausführungsbestimmungen <strong>und</strong> die Befolgung dieser Gesetze betraf, so<br />

war jeder der Kriegsführenden gehalten, darüber zu wachen, <strong>das</strong>s in den eigenen<br />

Reihen solche Gesetzesübertretungen nicht vorkamen <strong>und</strong> <strong>das</strong>s sie - wenn sie<br />

doch stattfanden - bestraft wurden. Machte ein Staat <strong>das</strong> nicht, so konnte er als<br />

Pflichtvergessener angeprangert werden.<br />

Kein Mensch sah je ein, <strong>das</strong>s dieses Erbstück der Ritterturniere <strong>und</strong> der<br />

Bilderbuchschlachten a la Fontenoy * immerhin nicht unbesehen auf die<br />

modernen Massenschlachten mit Mordwaffen zu Lande, zur See <strong>und</strong> in der Luft<br />

anwendbar war - <strong>und</strong> so lieferte dann diese noble Theorie eine Schablone gültig<br />

für alle Kriege <strong>und</strong> alle Kriegsführenden, ein unschätzbares Mittel zur allseitigen<br />

Erhaltung der Kampfmoral: jede Seite konnte ihre Kriegsteilnahme dadurch<br />

rechtfertigen, <strong>das</strong>s sie erklärte, der Gegner habe die Konventionen oder den<br />

Geist der Konventionen verletzt - jede konnte ihre sittliche Verpflichtung zur<br />

Fortsetzung des Krieges beweisen indem sie ihren Feind beschuldigte, er habe<br />

zugelassen, <strong>das</strong>s seine Soldaten Kriegsverbrechen verübten.<br />

________________<br />

* Anmerkung des Übersetzers:<br />

In der Schlacht von Fontenoy 1745 besiegten die Franzosen die Engländer <strong>und</strong> Holländer. <strong>Die</strong> formelle Höflichkeit<br />

wurde hier so weit getrieben, <strong>das</strong>s der englische Befehlshaber die Franzosen aufforderte zu schießen - der Franzose<br />

aber darauf bestand, den Engländern diese Ehre zu überlassen. <strong>Die</strong> Leidtragenden waren die Soldaten in der ersten<br />

Linie der Franzosen.<br />

So entschuldigte ein tatsächlicher oder angeblicher Verstoß der einen Seite eine<br />

Grausamkeit auf der anderen Seite - worauf dann diese Grausamkeit des Feindes<br />

wieder ein Verbrechen der eigenen Seite als weniger abscheulich erscheinen<br />

ließ. Das Ergebnis war jene entsetzliche Kette, in der die abgehackten Händchen<br />

eines belgischen Kindes, die Vernichtungslager, die Bombenteppiche auf<br />

Wohnbezirken, die Bombardements von Dresden, Leipzig, Hiroshima, Nagasaki<br />

nur einige der Glieder sind ...<br />

Nach dem Kriege erinnerte sich <strong>das</strong> Weltgewissen nur der Missetaten der<br />

unterlegenen Seite. Es fand also eine Art moderner Auflage jener<br />

mittelalterlicher Gottesurteile statt: damals war derjenige unschuldig, der die<br />

Feuer- oder Wasserprobe überstand - jetzt war es derjenige, der den Krieg<br />

überstanden hatte.<br />

Der Krieg selbst - als Urheber dieser alles in allem nur kleineren Verbrechen, die<br />

er zwangsläufig mit sich brachte - wurde indessen nicht als ein Verbrechen<br />

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