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Die Juden und das Dritte Reich

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etrachtet, <strong>das</strong> gerichtliche Maßnahmen auslösen musste: <strong>das</strong> Schicksal der<br />

Besiegten fiel unter die Zuständigkeit der Staatsgewalt der Sieger. In der<br />

öffentlichen Meinung des siegreichen Landes wurden zwar sarkastische<br />

Beleidigungen laut <strong>und</strong> es wurde sogar, wie in alter Zeit bei Stammesfehden, die<br />

Bestrafung der Anführer der unterlegenen Seite gefordert, aber hinter solchen<br />

Äußerungen steckte vielleicht ein Siegerkomplex, vielleicht <strong>das</strong> Bedürfnis, sich<br />

abzureagieren, kaum wirklicher Rachedurst. <strong>Die</strong> Staatsgewalt ihrerseits hielt es<br />

für unvereinbar mit ihrer Ehre, zu den allgemein verurteilten Sitten früherer<br />

Tage zurückzukehren, eines Julius Cäsar, der Vercingetorix im Gefängnis<br />

erdrosseln ließ, oder jener Ritter des Mittelalters, die, wenn sie siegten, ihre<br />

Feinde auf Lebenszeit in Kerkern einsperrten: Seit langem begnügte man sich<br />

damit, die besiegten Führer zu verbannen, falls sie nicht von sich aus<br />

emigrierten. 1919 hatten die Alliierten verlangt, <strong>das</strong>s Kaiser Wilhelm II. ihnen<br />

ausgeliefert werden sollte. Man wollte ihn aburteilen als Verantwortlichen für<br />

einen Krieg, der durch seine Länge, seine Ausweitung <strong>und</strong> den bis dahin<br />

unbekannten mörderischen Charakter seiner Schlachten den Stempel des<br />

Verbrechens trug. Durch die Forderung nach Auslieferung waren<br />

Waffenstillstandskonvention <strong>und</strong> Versailler Vertrag, mit denen der Erste<br />

Weltkrieg besiegelt wurde, in Richtung auf die Schaffung einer<br />

Sondergerichtsinstanz einen Schritt gegangen, den weder 1815 die Wiener<br />

Beschlüsse gegen Napoleon I noch 1871 der Vertrag zu Frankfurt gegen<br />

Napoleon III gewagt hatten. Aber 1919 war <strong>das</strong> geistige Niveau der Lenker der<br />

Völker noch nicht allzu tief gesunken <strong>und</strong> man hatte den Plan fallengelassen.<br />

Hervorzuheben wäre übrigens, <strong>das</strong>s 1919 in der öffentlichen Meinung eine<br />

starke Strömung bestand, die Führer aller Sieger <strong>und</strong> aller Besiegten in gleicher<br />

Weise zu verurteilen, <strong>und</strong> diese Ansicht hat sich damals fast durchsetzen<br />

können.<br />

Wenn dem Nürnberger Statut also irgendwelche Urheberrechte bezüglich der<br />

Kodifizierung von Rechtsbegriffen zukommt, so höchstens insofern, als es <strong>das</strong><br />

Verbrechen gegen den Frieden von der Verschwörung zur Durchführung jenes<br />

Verbrechens abgetrennt hat, also die Vorbereitung von der Ausführung (Abs. a<br />

des Art. 6).<br />

<strong>Die</strong> moralische <strong>und</strong> rechtliche Verwerflichkeit dieser Neuerung ist freilich nicht<br />

dadurch bedingt, <strong>das</strong>s sie in Form eines vorher nie kodifizierten Gesetzes<br />

erscheint, sondern dadurch, <strong>das</strong>s dieses Gesetz ausgedacht wurde um<br />

unrechtmäßigerweise eine Anzahl Handlungen zu bestrafen, die nach<br />

bestehenden Gesetzen nicht geahndet werden konnten.<br />

Unrechtmäßigerweise aus mehreren Gründen, am offensichtlichsten aber, <strong>und</strong><br />

wohl vor allem, weil diese Übertretungen stattgef<strong>und</strong>en hatten, bevor <strong>das</strong> Gesetz<br />

erging. Der Rechtssatz, <strong>das</strong>s es keine Gesetze mit rückwirkender Kraft gibt,<br />

gehört zu den geheiligten Gr<strong>und</strong>sätzen unserer Kultur. Und wenn unsere Moral<br />

verlangt, <strong>das</strong>s der Satz "Unkenntnis der Gesetze schützt nicht vor Strafe" gilt, so<br />

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