Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

von Nr. Vlümcke. 119
Es ist für unseren Zweck nicht erforderlich, die Cronica
in ihrer Darstellung weiter zu verfolgen. Von Wichtigkeit
erscheint in derselben folgendes. Zunächst ist mit keiner Silbe
von einem brandenburgifcheu Anschlage auf Stettin die Rede,
und doch lag es für den Verfasser nahe genug einen solchen,
wenn er ihn kannte, nicht zu verschweigen. Führt er doch
selber deu Vorbehalt an, welchen die eidleistcnden pommerischen
Mannen beim Markgrafen machen: 31 tonorkt 6t ^3^6rot
8t6ttin. Folgt hieraus freilich nicht die Unmöglichkeit eines
solchen Anschlages, so doch sicher die Unkunde des sonst so gut
unterrichteten Verfassers.
In der That sagt er kein Wort über die immerhin bedeutungsvolle
Haltung der Stadt im Erbstreite, geschweige
denn daß Glinde oder sonst ein Name erwähnt würde. Es
ist das ein Beweis, wie wenig man selbst bei einem den Ereignissen
so nahe stehenden Chronisten die Bekanntschaft mit
dem geschichtlichen Detail voraussetzen darf; wir haben in
seinem Berichte eben nur die großen Striche des Bildes vor
uns, uud es blieb seinen Nachfolgern überlassen, dasselbe durch
sorgfältiges Studium der historischen Tocumente oder durch
Aufnahme der Tradition zu vervollständigen resp. zu entstellen.
Noch eins aber ist in der Darstellung der Cronica beachtenswerth.
Gartz, sagt ihr Verfasser, fiel tr^ditorÌO in die Hände
des Markgrafen. 48) Damit ist ein Samenkorn ausgestreut,
das, wie wir sehen werden, im Laufe der Zeit in der pommerschen
Chronistik üppig ins Kraut geschossen ist. Hier ist
der Punkt, wo die historische Mythenbildnng, immer rege gehalten
von dem alten Haß gegen Vrandenbnrg, kräftig einsetzt
") Diese Anklage ist ohne Zweifel berechtigt. 1472 verleiht Kur-
fürst Albrecht der Stadt Zollfreiheit, wegen des „großen willen, deu
sie in dem angefalle des fürstenthumbs Stettin und Pomern darin sie
sich vor audern als die gehorsamen zu uns gehalten haben :c. Naumer
I 9, 12. 1473 läßt Johann seinem Vater Albrecht u. a. melden, die
Gartzer würden in Pommern schlecht angesehen, Eulen geschimpft und
Verräther geheißen, wo sie in den Seestädten sich sehen ließen. Gerckeu
coä. 6ip1. Vi-Äuä. VIII, 565.