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Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

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152 Die Familie Glinde.<br />

wäre <strong>der</strong> ganze so entstandene Klatsch zuerst officiell zur<br />

Sprache gekommen. Es ist aber auch doch <strong>der</strong> Fall denkbar,<br />

daß eben diese Aussage den ersten Anstoß zur Entstehung <strong>der</strong><br />

Fabel gegeben habe, insofern hierdurch erst die Glinde überlebenden<br />

Zeitgenossen verleitet wurden, willkürlich Dinge zu<br />

erfinden o<strong>der</strong> zu combiniren, von denen die beglaubigte Geschichte<br />

nichts wußte. Besaß doch beispielsweise Glinde einen<br />

Hof vor dem passauer Thore; ist es doch sehr wohl glaublich,<br />

daß er in jener Zeit gerade die Thorwachen anzustellen gehabt<br />

hatte. Lag es doch namentlich für die späteren Generationen<br />

nahe genug, die freiwillige Abdankung Glindes mit jenem<br />

„Verrathe" zu verknüpfen. Noch mag auf einen an<strong>der</strong>en Umstand<br />

hingewiesen werden. Die Zeit von Glindes Tod bis<br />

zur Abfassung <strong>der</strong> Chronik Kanzows umfaßt die Regierung<br />

des bedeutendsten aller pommerifchen Fürsten, des Herzogs<br />

Bogislav 10., um dessen Jugendzeit die Sage ja auch ihre<br />

anmuthigen Gebilde gebreitet hat, <strong>der</strong> den Konflikt mit Brandenburg<br />

ererbte und noch Jahre lang fortsetzte, <strong>der</strong> die Stadt<br />

Stettin wie<strong>der</strong>holt seinen Herrscherzorn fühlen ließ. Unter<br />

ihm mußte, das bezeugt auch Kanzow, das pommerische Nationalgefühl<br />

eine kräftige Steigerung erfahren, in demselben Grade<br />

wuchs natürlich <strong>der</strong> Haß gegen Brandenburg. Man vergaß<br />

allmählich die wenig loyale Haltung, welche Stettin einst gegen<br />

Vogislavs Vater und Oheim beobachtet hatte, o<strong>der</strong> vielmehr<br />

<strong>der</strong> Volksgeist suchte sich einen Sündenbock, auf den alle Schuld<br />

und Verantwortung gewälzt werden konnte, und fand ihn in<br />

Glinde.<br />

Je dürftiger nun die pommerische Historiographie an<br />

wirklich kritischen Leistungen bis zu Kanzow war, um so freieren<br />

Spielraum mußte diefe einmal aufgeschossene Wucherpstanze<br />

zur üppigsten Entfaltung erlangen. So fand Kanzow die<br />

Geschichte von Glinde vor und ließ sich die Gelegenheit nicht<br />

entgehen, durch Aufnahme dieser Fabel in sein Geschichtswerk<br />

seinem Grolle gegen Stettin wegen <strong>der</strong> den Herzogen gegenüber<br />

befolgten Haltung Ausdruck zu geben. Er hat die Ueberlieferung<br />

offenbar erst stilistisch und im Einzelnen in die Form

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