Herman Nohl und die NS-Zeit
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III. Nach 1945<br />
der Burschen <strong>und</strong> Mädchen“ („<strong>die</strong> Mädchen (…) verlieren jede Freude an der Hausar-<br />
beit“ (<strong>Nohl</strong>: Aufgabe der Gegenwart, 1947, S. 299), dass ein neuer Arbeits<strong>die</strong>nst<br />
notwendig ist:<br />
„Wir brauchen eine Einrichtung, in der <strong>die</strong>se Jugend durch gemeinnützige Arbeit<br />
den Sinn ihres Lebens erkennt <strong>und</strong> bewusst zu einem tätigen Mitglied des Volks heranreift.<br />
Diese letzte erzieherische Zusammenfassung, <strong>die</strong> früher das Militär gab, wo<br />
aber den Frauen das Dienstjahr fehlte, wird jetzt für beide Geschlechter der Arbeits<strong>die</strong>nst<br />
bringen müssen. Ein halbes Jahr würde dafür genügen. In der Lebensform des<br />
Lagers lernt der junge Mensch, wie ein einfaches, anständiges, geordnetes <strong>und</strong> vergeistigtes<br />
Gemeinschaftsleben aussieht. In der praktischen Arbeit erfährt er <strong>die</strong><br />
Freude des Zupackens <strong>und</strong> fürchtet den Schmutz nicht mehr, <strong>und</strong> im hauswirtschaftlichen<br />
<strong>und</strong> staatsbürgerlichen Unterricht bekommt er auch <strong>die</strong> theoretischen Mittel,<br />
<strong>die</strong> ihm später helfen werden, sein Leben einzurichten, kein abstraktes Gerede, sondern<br />
<strong>die</strong> gedankliche Läuterung des wirklich Erlebten. Das Lagerleben mit allen<br />
seinen Aufgaben <strong>und</strong> Problemen gibt das anschaulichste Lehrmittel auch für alle<br />
sittlichen Fragen. Sport, gemeinsames Singen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Vergeistigung des Feierabends<br />
entwickeln <strong>die</strong> musischen Kräfte. Man hat gesagt: ‚Die richtige Verwendung der<br />
Muße sei das große soziale Problem.‘ Solche Verwendung seiner Muße wird der<br />
junge Mensch im Lager lernen <strong>und</strong> wird sie dann später auch in der Volkshochschule<br />
suchen. Vor allem aber wird ihm erlebensmäßig klar werden, dass <strong>die</strong> ges<strong>und</strong>e Entwicklung<br />
einer Volksgemeinschaft nur auf der Gr<strong>und</strong>lage einer unbedingten sozialen<br />
<strong>und</strong> politischen Gerechtigkeit gelingen kann.“ (<strong>Nohl</strong>: Aufgabe der Gegenwart, 1947,<br />
S. 299)<br />
durch Vorträge im weiblichen Arbeits<strong>die</strong>nst mitgearbeitet <strong>und</strong> sah in den Führerinnen des Arbeits<strong>die</strong>nstes<br />
<strong>die</strong> besten Kräfte für <strong>die</strong> <strong>Zeit</strong> nach der Katastrophe, um unser Volksleben wieder aufzubauen.“ (<strong>Nohl</strong>:<br />
Aufgabe der Gegenwart, 1947, S. 298) Der entscheidende Unterschied zwischen Reichwein <strong>und</strong> <strong>Nohl</strong><br />
liegt eigentlich auf der Hand. Es geht um zwei Fragen: Während Reichwein aktiv <strong>und</strong> subversiv in der<br />
Widerstandsbewegung zum Sturz des <strong>NS</strong>-Regimes mitgearbeitet hat, <strong>die</strong>nte der Eifer Reichweins im<br />
weiblichen Arbeits<strong>die</strong>nst teils der Deckung seiner Widerstandstätigkeit, teils der subversiv durchgeführten<br />
Aufklärung.<br />
Siehe dazu: Amlung, Ullrich: Adolf Reichwein 1898–1944. Ein Lebensbild des Reformpädagogen,<br />
Volksk<strong>und</strong>lers <strong>und</strong> Widerstandskämpfers, Frankfurt am Main 1999; Amlung, Ullrich/Lingelbach, Karl-<br />
Christoph: Adolf Reichwein (1898–1944), in: Tenorth, Heinz-Elmar (Hrsg.): Klassiker der Pädagogik.<br />
Band 2: Von John Dewey bis Paul Freire, München 2003, S. 203–216 <strong>und</strong> Pallat, Gabriele Cantate/Reichwein,<br />
Roland/Kunz, Lothar (Hrsg.): Adolf Reichwein. Pädagoge <strong>und</strong> Widerstandskämpfer. Ein<br />
Lebensbild in Briefen <strong>und</strong> Dokumenten (1914–1944), Paderborn/München/Wien/Zürich 1999.<br />
Allerdings muss hinzugefügt werden, dass es sich in der Tat um späten Widerstand handelte, wie<br />
Christine Hohmann in ihrer umfangreichen Stu<strong>die</strong> „Dienstbares Begleiten <strong>und</strong> später Widerstand. Der<br />
nationale Sozialist Adolf Reichwein im Nationalsozialismus“ (Bad Heilbrunn 2007) nicht nur durch<br />
sprachkritische Stu<strong>die</strong>n nachgewiesen hat. Am gravierendsten ist dabei sicherlich <strong>die</strong> Haltung Reichweins<br />
zum Widerstand in Dänemark. Reichwein schrieb am 6.2.1944 an seine Frau über <strong>die</strong> Dänen: „Dass auch<br />
Russland für sie eine ‚Gefahr‘ werden könnte, sehen sie nicht oder wollen sie nicht sehen, so blind macht<br />
sie der Hass gegenüber den Deutschen. (…) Und so knallen weiter <strong>die</strong> Schüsse, <strong>die</strong> der Reihe nach<br />
Personen treffen, <strong>die</strong> mit den Deutschen zusammenarbeiten oder sympathisierende Erklärungen abgegeben<br />
haben. (…) Und <strong>die</strong> Polizei? Sie sieht zu, denn sie sympathisiert zu erheblichem Teil mit den<br />
Terroristen, hat Verbindung zu ihnen, deckt sie <strong>und</strong> tut offenbar mit Absicht nichts, um Spuren zu finden“<br />
(Hohmann, S. 194).<br />
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