30.01.2013 Aufrufe

Herman Nohl und die NS-Zeit

Herman Nohl und die NS-Zeit

Herman Nohl und die NS-Zeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

54<br />

1934 in Kraft getreten ist, <strong>und</strong> zweitens <strong>die</strong> methodischen Verfahren der Fürsorge<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich umzuwenden.<br />

Die Sterilisation der Erbkranken, <strong>die</strong> nicht Kastration, also kein Angriff auf <strong>die</strong> Persönlichkeit<br />

des Menschen, sondern nur eine Verhinderung seiner Zeugungsfähigkeit<br />

ist, nimmt ihm nicht das Glück der geschlechtlichen Liebe, nur das der Elternschaft.<br />

Eine Begründung des Gesetzes hat Reichsminister Frick in der Ansprache über <strong>die</strong><br />

Bevölkerungs- <strong>und</strong> Rassenpolitik gegeben, <strong>die</strong> ich schon nannte.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung,<br />

1933/34, S. 17 f., Hervorhebung im Original)<br />

<strong>Nohl</strong> stellt nicht nur <strong>die</strong> „grausame Frage“, er gibt mit dem <strong>NS</strong>-Reichsinnenminister <strong>die</strong><br />

zu <strong>die</strong>sem <strong>Zeit</strong>punkt gültige nationalsozialistische Antwort. Er erklärt seiner studentischen<br />

Zuhörerschaft, dass er – ansonsten Platoniker – hier aus christlicher Überzeugung<br />

gegen <strong>die</strong> Tötung, nicht aber gegen <strong>die</strong> Sterilisierung sei. Das entsprach zu <strong>die</strong>sem<br />

<strong>Zeit</strong>punkt 1933/34 der offiziellen Lesart des <strong>NS</strong>-Regimes.<br />

Nach der Betonung der Notwendigkeit der Sterilisation in einer Fülle von im Einzelnen<br />

aufgeführten Fällen wendet sich <strong>Nohl</strong> nun gegen <strong>die</strong> finanziellen <strong>und</strong> personellen<br />

Kürzungen der sozialen Fürsorge <strong>und</strong> <strong>die</strong> Übertreibung des „Ausmaßes der erblichen<br />

Minderwertigkeit“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 20). Sozusagen als neue Richtlinie<br />

legt sich <strong>Nohl</strong> auf folgende Formulierung fest:<br />

„Ein weiteres muss, wie gesagt, <strong>die</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche Umwendung der Fürsorgemethoden<br />

sein, <strong>die</strong> statt der bisher überwiegenden Einzelfürsorge Familienfürsorge treiben<br />

wird <strong>und</strong> statt der wahllosen Unterstützung von allen Familien nur nach dem Maßstab<br />

ihrer Not, <strong>die</strong> erbges<strong>und</strong>en Familien bevorzugen muss.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung,<br />

1933/34, S. 19)<br />

<strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> wehrt sich in <strong>die</strong>sen Passagen einerseits gegen alle Kürzungsabsichten,<br />

gesteht aber auf der anderen Seite zu:<br />

„Vielleicht war wirklich ein Teil <strong>die</strong>ser Anstalten, z. B. der Fürsorgeanstalten, allmählich<br />

zu ‚schön‘ geworden. Man wird sie jetzt mehr auf das Land verlegen <strong>und</strong><br />

primitiver einrichten als bisher.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 20)<br />

Im folgenden Teil über <strong>die</strong> positiven Maßnahmen geht es <strong>Nohl</strong> um den Ehrenkodex,<br />

doch <strong>die</strong> Ehe <strong>und</strong> <strong>die</strong> Nachkommenschaft nach den Interessen des Volkes, des Staates,<br />

des „Volkskörpers“ auszurichten:<br />

„Weder Organisation noch Gesetz sichern <strong>die</strong> steile Höhe, auf der <strong>die</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Kraft <strong>und</strong> <strong>die</strong> vitalsittliche Ges<strong>und</strong>heit eines Volkes stehen, sondern nur das<br />

Gewissen, das dem einzelnen schlägt, damit, um noch einmal Plato zu zitieren, ‚für<br />

jede Ehe als Wahlspruch einzig <strong>die</strong>ser gilt, dass ein jeder gehalten sei, eine dem<br />

Staat segensreiche, nicht eine für seine eigene Lustbegier besonders erwünschte Ehe<br />

einzugehen‘ (‚Gesetze‘ 773).“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 22 f.)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!