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Herman Nohl und die NS-Zeit

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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />

122<br />

„Im übrigen geht es mir in <strong>die</strong>sem ganzen Abschnitt weder darum, <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />

herabzusetzen oder zu kritisieren, noch darum, sein Verhalten biographisch <strong>und</strong><br />

historisch zu deuten, sondern lediglich darum, zu erklären, warum es heute schwierig<br />

ist, unmittelbar auf seine Schriften zurückzugreifen. Ich beziehe mich daher auch<br />

bewusst nur auf seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen <strong>und</strong> nicht auf Briefe<br />

oder persönliche Aussagen. So ist auch der Ausdruck ‚Versagen‘ von mir nicht als<br />

ein Vorwurf oder Werturteil gemeint, sondern – wie man beispielsweise von ‚Herzversagen‘<br />

spricht – als eine wirkungsgeschichtliche Feststellung. Meine Ausführungen<br />

insgesamt sollten eher zeigen, dass mir <strong>Nohl</strong> nach wie vor viel bedeutet.“<br />

(Schulze 1979, S. 546)<br />

In <strong>die</strong>ser Passage kann jeder herauslesen, welchem Druck Schulze während <strong>und</strong> nach<br />

der Veranstaltung offensichtlich ausgesetzt war. Ohne Frage hat Schulze <strong>Nohl</strong> kritisiert,<br />

<strong>und</strong> ohne Frage enthält seine richtige Kritik auch ein Werturteil, denn das Versagen<br />

<strong>Nohl</strong>s war kein medizinisches Problem, sondern ein moralisches. Auch <strong>die</strong> Aussage,<br />

„dass mir <strong>Nohl</strong> nach wie vor viel bedeutet“ wirkt wie ein abgepresstes Zugeständnis.<br />

Zweierlei wird anhand <strong>die</strong>ser H<strong>und</strong>ertjahrfeier, von der leider kein Tonbandmitschnitt<br />

vorliegt, sehr deutlich: <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> als „Säulenheiligen“ 191 zu verehren, war in <strong>die</strong>ser<br />

<strong>Zeit</strong>spanne für ernste Erziehungswissenschaftler nicht mehr möglich. Zweitens gab es<br />

einen sehr massiven, letztlich antiwissenschaftlichen Druck von jenen Kräften, <strong>die</strong> sich<br />

von ihrem eigenen „pädagogischen Bezug“ zu <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> offensichtlich nicht lösen<br />

konnten.<br />

Schulze, der in der weiteren Analyse über <strong>die</strong> Sprachkritik an <strong>Nohl</strong>s Häufung von<br />

Adjektiven wie „froh, fröhlich, frohmütig, adlig“ etc. <strong>die</strong> weitere Entwicklung <strong>Nohl</strong>s<br />

nach 1918 verfolgt, konstatiert <strong>Nohl</strong>s „Abneigung gegen Revolution, Demokratie <strong>und</strong><br />

Parteien“ (Schulze 1979, S. 547) als offensichtlich. Schärfer noch deckt er auf, dass<br />

<strong>Nohl</strong> hinter der Attitüde, auf der Höhe der Wissenschaft zu stehen, in Wahrheit Denker<br />

wir Karl Marx, Sigm<strong>und</strong> Freud <strong>und</strong> Max Weber nur nebenbei oder gar nicht behandelt<br />

<strong>und</strong> einen Pädagogen wie Siegfried Bernfeld lediglich im Literaturverzeichnis zum<br />

„Handbuch der Pädagogik“ (1933) anführt, aber bei der Darstellung emanzipatorischer<br />

Pädagogik <strong>und</strong> Reformpädagogik nicht einmal erwähnt. Schulze fragt ins Auditorium:<br />

191 Dieser Ausdruck stammt von Hans-Georg Herrlitz. Herrlitz wendet sich im Kontext der Debatte um<br />

Erich Weniger im Stil der fünfziger Jahre dagegen, dass <strong>die</strong> historische Analyse zur angeblich „politischmoralischen<br />

Abrechnung“ mit den „Säulenheiligen der Disziplin, z. B. Erich Weniger“ führe (Herrlitz,<br />

Hans-Georg: Vergangenheitsbewältigungen, in: Die Deutsche Schule. <strong>Zeit</strong>schrift für Erziehungswissenschaft,<br />

Bildungspolitik <strong>und</strong> pädagogische Praxis, 89. Jg. (1997), Heft 2, S. 135).

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