Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
Herman Nohl und die NS-Zeit
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />
oder jener untergeordneten Kritiken an <strong>Nohl</strong>, darauf hinaus, sämtliche theoretischen<br />
Fortsetzungen <strong>Nohl</strong>s in Heinrich Roths pädagogischer Anthropologie münden zu<br />
lassen. 167 Kennzeichnend für den zweiten Teil über <strong>die</strong> pädagogischen Theorien <strong>Nohl</strong>s<br />
ist der Widerspruch, einerseits Hermeneutik für <strong>die</strong> Pädagogik im Allgemeinen fruchtbar<br />
machen zu wollen, andererseits aber in der Darstellung der Kategorien <strong>und</strong> Begriffe<br />
<strong>Nohl</strong>s abstrakt zu bleiben <strong>und</strong> den konkreten politischen Zusammenhang seiner Akzentsetzung,<br />
<strong>die</strong> von <strong>Nohl</strong> beschworene „geschichtliche St<strong>und</strong>e“ fein säuberlich außen vor<br />
zu lassen. Knapp wird <strong>die</strong> als produktive Kritik vorgestellte Ansicht Klafkis vorgetragen,<br />
dass doch bei <strong>Nohl</strong> <strong>die</strong> Rolle des Rationalen etwas zu kurz komme <strong>und</strong> <strong>die</strong> planmäßige<br />
schrittweise Auflösung des „persönlichen Bezugs“ in den Überlegungen <strong>Nohl</strong>s<br />
eine zu geringe Rolle spiele (S. 193 ff).<br />
Probleme bereitet Bartels offensichtlich <strong>die</strong> bereits vorgestellte Kritik Mollenhauers168 an <strong>Nohl</strong>s Vorstellung vom Pädagogischen Bezug. Diese Kritik wird als nicht ganz<br />
unberechtigt, aber doch den Kern <strong>Nohl</strong>s nicht treffend bezeichnet (S. 196 f).<br />
Als dritter Kritiker wird Brezinka169 angeführt, der, aus konservativer Position heraus<br />
schon gegen Keime emanzipatorischer Ideen eingestellt, <strong>die</strong> Erziehung von oben,<br />
insbesondere durch <strong>die</strong> jeweilige Institution stärken will. Bartels verneigt sich vor der<br />
„imponierenden Geschlossenheit des Ganzen bei Brezinka“ <strong>und</strong> sieht es als „ein heilsames<br />
<strong>und</strong> notwendiges Korrektiv für all jene, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Autonomie der Pädagogik<br />
übertreiben“ (S. 200). <strong>Nohl</strong> selbst sei aber dank seiner Theorie des Polaren von <strong>die</strong>ser<br />
Kritik nicht betroffen, zumal Brezinka ja selbst betone, dass ein Kind zum Lehrer<br />
Vertrauen haben müsse, also eben auch pädagogische Bezüge nicht ablehnt.<br />
Als vierter kritischer Gesichtspunkt wird von Bartels <strong>die</strong> Problematik nicht ausgearbeiteter<br />
Schulpädagogik bei <strong>Nohl</strong> angeschnitten. Die Vernachlässigung der erzieherischen<br />
Rolle der Schülergruppe habe aber Peter Petersen, der der Konzeption <strong>Nohl</strong>s sehr nahe<br />
gestanden habe, ausführlich berücksichtigt <strong>und</strong> begründet (S. 208 f).<br />
167<br />
Bartels schreibt: „Erst in letzter <strong>Zeit</strong> wird der Ansatz <strong>Nohl</strong>s in seiner Breite wieder aufgenommen, nun<br />
freilich methodisch erheblich verfeinert, erweitert <strong>und</strong> um <strong>die</strong> Erkenntnis der Wissenschaft vom Menschen<br />
aus den letzten Jahrzehnten bereichert: in H. Roths Pädagogischer Anthropologie.“ (S. 101) Nun sei<br />
sichergestellt, dass „der <strong>Nohl</strong>sche Ansatz nicht wieder verloren geht“ (S. 101).<br />
168<br />
Mollenhauer, Klaus: Die Ursprünge der Sozialpädagogik in der industriellen Gesellschaft. Eine<br />
Untersuchung zur Struktur sozialpädagogischen Denkens <strong>und</strong> Handelns, Weinheim/Berlin 1959.<br />
169<br />
Brezinka, Wolfgang: Erziehung als Lebenshilfe. Eine Einführung in <strong>die</strong> pädagogische Situation<br />
3. verbesserte Auflage, Stuttgart 1963.<br />
111