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Herman Nohl und die NS-Zeit

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II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

der Industriegesellschaft <strong>und</strong> der „Verstädterung“ steht, auf <strong>die</strong> schon Heinz-Joachim<br />

Heydorn in seiner Schrift „Über den Widerspruch von Bildung <strong>und</strong> Herrschaft“ (vor<br />

allem im Abschnitt „Industrielle Revolution: Fluchtversuche) eingegangen ist. 97 Einlei-<br />

tend heißt es in <strong>die</strong>sem zweiten Kapitel, sich auf den Reichskanzler Adolf Hitler<br />

stützend:<br />

58<br />

„Die biologische Krise eines Volkes ist immer schon zusammengebracht worden, vor<br />

allem seit Rousseau <strong>und</strong> der großen physiokratischen Bewegung des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />

mit seiner Verstädterung. 98 In der Gegenwart tritt <strong>die</strong> Verbindung beider in<br />

der bekannten Formel von ‚Blut <strong>und</strong> Boden‘ auf. Unter den Maßnahmen zur Steigerung<br />

des Nachwuchses erscheint überall <strong>die</strong> Forderung einer neuen Berücksichtigung<br />

des Landes. So in der mehrfach genannten Ansprache Fricks, so in der programmatischen<br />

Erklärung des Reichskanzlers vom 10. Februar 1933: ‚Volk <strong>und</strong> Erde<br />

sind <strong>die</strong> Wurzeln unserer Kraft. Das Ziel unseres Kampfes: Die Erhaltung <strong>die</strong>ses<br />

Volkes, <strong>die</strong>ses Bodens.‘ ‚Blut <strong>und</strong> Boden‘ ist der Titel einer bekannten <strong>Zeit</strong>schrift. Am<br />

wirksamsten sind <strong>die</strong> Bücher des Reichsministers Darré geworden, schon wegen<br />

seiner politischen Stellung: ‚Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse‘<br />

2. Auflage 1933. ‚Neuadel aus Blut <strong>und</strong> Boden‘ 1933. Dann das Buch von Böhmer<br />

‚Das Erbe der Enterbten‘ 2. Auflage 1933.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 32)<br />

So wie bereits Platon zur Begründung der Eugenik herangezogen wurde, bemüht sich<br />

nun <strong>Nohl</strong> hier, Rousseau zum Vater der „Blut <strong>und</strong> Boden“-Mystik zu krönen. Auch<br />

ohne hier im Einzelnen <strong>die</strong> reduktionistische <strong>und</strong> Rousseau unterstellte Parole „Zurück<br />

zur Natur“ (in Wirklichkeit geht es Rousseau um <strong>die</strong> „Natur des Menschen“, im Sinne<br />

des eigentlichen Wesens der Menschen angesichts von Degenerierung durch Eigen-<br />

tumszivilisation) genauer zu behandeln, wird deutlich, dass <strong>Nohl</strong> den Reichskanzler<br />

Hitler <strong>und</strong> das „Blut <strong>und</strong> Boden“-Gerede mit Hinweis auf Rousseau akademisch adelt<br />

<strong>und</strong> für seine studentische Zuhörerschaft annehmbar aufbereitet.<br />

Nachdem <strong>Nohl</strong> nun Zahlenmaterial über Stadt <strong>und</strong> Land vorträgt, folgert er ernsthaft:<br />

„Das heißt aber für Deutschland, das Gleichgewicht von Landwirtschaft <strong>und</strong> Industriewirtschaft,<br />

das durch <strong>die</strong> Entwicklung der letzten 50 Jahre zerstört war, wieder in<br />

Ordnung zu bringen <strong>und</strong> sich zu reagrarisieren.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 34)<br />

Daneben warnt er vor der Landflucht gerade in den Grenzgebieten im Osten:<br />

„Was das nationalpolitisch bedeutet, ist klar, denn ein menschenarmes Land neben<br />

einem stark wachsenden muss <strong>die</strong> Instinkte des Nachbarn reizen, <strong>und</strong> es ist fast un-<br />

97 Heydorn, Heinz-Joachim: Über den Widerspruch von Bildung <strong>und</strong> Herrschaft (Bildungstheoretische<br />

Schriften, Band 2), Frankfurt am Main 1979, S. 218 ff.<br />

98 <strong>Nohl</strong> nennt hier in einer Fußnote folgende Quelle: Eichler, Arthur: Die Landbewegung des 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> ihre Pädagogik, Langensalza/Berlin/Leipzig 1933.

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