30.01.2013 Aufrufe

Herman Nohl und die NS-Zeit

Herman Nohl und die NS-Zeit

Herman Nohl und die NS-Zeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

<strong>Nohl</strong> stellt sich hier (sich selbst zitierend) sozusagen als Sprecher der „pädagogischen<br />

Bewegung“ in Deutschland vor, <strong>die</strong> er in der gleichnamigen Schrift (<strong>die</strong> 1935 neu<br />

erschien) konstruiert hatte:<br />

74<br />

„(…) jedenfalls hat der Staat <strong>die</strong> Überzeugung der pädagogischen Bewegung hinter<br />

sich, wenn er hier radikal zugreift <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ganzheit als <strong>die</strong> entscheidende Macht<br />

oberhalb aller <strong>die</strong>ser Gegensätze herausarbeitet. Er besitzt in dem nationalen Gehalt<br />

seiner Geschichte wie seiner Sendung auch den F<strong>und</strong>us, der <strong>die</strong> einheitliche Schule<br />

zu tragen vermag.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 124)<br />

Was den Gehalt <strong>die</strong>ser deutschen Schule angeht, so geht es <strong>Nohl</strong> um eine Zusammen-<br />

fassung der „deutschen Bewegung“, wie sie sein Lehrer Dilthey angefangen, aber nicht<br />

zu Ende geführt habe: <strong>die</strong> „Geschichte der Deutschen Bewegung“, so realistisch wie<br />

möglich, an <strong>die</strong> aktuelle Sprache des Volkes angepasst, nicht als abstrakte Wahrheiten,<br />

sondern als Hilfen zur Gestaltung des Lebens. Dabei bezieht sich <strong>Nohl</strong> ausdrücklich auf<br />

Rudolf Hildebrandt, den großen „Erzieher zur Deutschheit“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34,<br />

S. 128). 108<br />

Enden aber lässt <strong>Nohl</strong> seine Rede unter Berufung auf Heideggers Rede im Mai 1933,<br />

„Die Selbstbehauptung der Universität“. 109 Es heißt zunächst:<br />

„Wo einer nationalen Welt seine freie Geistigkeit versagt ist, weil sie gehemmt wird,<br />

wie in den Staaten der Inquisition, oder nicht gewertet wird wie in Sparta, oder weil<br />

<strong>die</strong> radikalen Köpfe fehlen, <strong>die</strong> immer wieder mutig zu den letzten Gr<strong>und</strong>lagen der<br />

Existenz durchstoßen, da geht ein Volk zugr<strong>und</strong>e. Plato ist es gewesen, der in seinem<br />

Staat <strong>die</strong> staatengestaltende Kraft der freien Wissenschaft, d. h. der Wissenschaft, <strong>die</strong><br />

nicht im Dienst der Praxis steht, sondern <strong>die</strong> Wahrheit um ihrer selbst willen sucht,<br />

ich sage Plato hat <strong>die</strong> staatengestaltende Kraft <strong>die</strong>ser freien Wissenschaft als erster<br />

ausgesprochen <strong>und</strong> so formuliert, dass sie bis heute fortwirkt: wahrhaft geb<strong>und</strong>en ist<br />

eine Überzeugung erst, wo sie nicht bloß im Enthusiasmus gründet, sondern gerechtfertigt<br />

ist durch ein wahrhaftes Denken. Der innerste Nerv jeder Schule, auch einer<br />

Kunstschule, ist darum <strong>die</strong> Erziehung zu <strong>die</strong>sem Willen zur Wahrheit im Sinn von<br />

Wahrhaftigkeit. Das letzte Ziel des Unterrichts von der Volksschule bis zur Universität<br />

sind nicht <strong>die</strong> einzelnen Kenntnisse als Resultate, auch nicht <strong>die</strong> Methodenbeherrschung<br />

als Mittel, sondern das Leben in einer Welt der Wahrheit, das einen Zusammenhang<br />

von Wahrheiten erarbeitet mit Hilfe der Zucht des Denkens. Solcher Objektivitätswille<br />

hat nichts zu tun mit auflösender Sophistik oder Gesinnungslosigkeit,<br />

108 Siehe zu <strong>die</strong>sem Fragenkomplex genauer: Zimmer, Hasko: Pädagogik, Kultur <strong>und</strong> nationale Identität.<br />

Das Projekt einer „deutschen Bildung“ bei Rudolf Hildebrand <strong>und</strong> <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>, in: Auernheimer,<br />

Georg/Gstettner, Peter (Red.): Pädagogik in multikulturellen Gesellschaften (Jahrbuch für Pädagogik<br />

1996), Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1996, S. 159–177.<br />

109 Diese Rede erschien zusammen mit einem Gespräch aus dem Jahre 1945 unter dem Titel Heidegger,<br />

Martin: Die Selbstbehauptung der deutschen Universität. Rede, gehalten bei der feierlichen Übernahme<br />

des Rektorats der Universität Freiburg i. Br. am 27.5.1933 (beigefügt: Das Rektorat 1933/34. Tatsachen<br />

<strong>und</strong> Gedanken), 2. Auflage, Frankfurt am Main 1990.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!