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Herman Nohl und die NS-Zeit

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II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

vierte Unterscheidung von „Wesenwille <strong>und</strong> Kürwille“ <strong>und</strong> „Wesensgemeinschaft <strong>und</strong><br />

Willensgemeinschaft“.<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle muss kurz innegehalten werden, denn eine der gr<strong>und</strong>legenden Methoden<br />

<strong>Nohl</strong>s, <strong>die</strong> eine Auseinandersetzung mit ihm massiv erschwert, wird an <strong>die</strong>ser Stelle<br />

deutlich: <strong>Nohl</strong> gibt grobe Hinweise in Hülle <strong>und</strong> Fülle, <strong>die</strong> eigentlich genau auf den<br />

Prüfstand gestellt werden müssten. Die Unterscheidung von Gemeinschaft <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

ist <strong>die</strong> eigentliche Pointe bei Tönnies, <strong>die</strong> <strong>Nohl</strong> allerdings überspringt, wobei<br />

seine Darstellung nicht direkt falsch ist. Indem aus dem „Gesellschaftsvertrag“ bei <strong>Nohl</strong><br />

unter der Hand <strong>die</strong> „Willensgemeinschaft“ herauswächst, entfernt er sich nämlich schon<br />

wieder von Tönnies, den er kurz <strong>und</strong> eklektisch gestreift hat, <strong>und</strong> ist bei Schmidt-Rohr,<br />

der von ihm zustimmend über <strong>die</strong> Sprachgemeinschaft zitiert wird:<br />

„Sprachgemeinschaft ist nicht schon unter allen Umständen bewusste Willensgemeinschaft.<br />

Aber sie ist trotzdem im Stillen Weg- <strong>und</strong> Wesensgemeinschaft, Willensgemeinschaft<br />

im Sinn eines volkstümlichen Ethos. Sie ist da trotz Hochverrat <strong>und</strong><br />

Schurkerei. Sie ist da, ohne dass wir uns dagegen wehren können, weil sie uns formt,<br />

ohne dass wir es merken. Sie umfängt uns als Schicksalsmacht, deren Wirkung wir<br />

ebenso wenig abwaschen können, wie der Mohr <strong>die</strong> Schwärze seiner Haut.“ (<strong>Nohl</strong>:<br />

Vorlesung, 1933/34, S. 61 f.)<br />

Aus <strong>die</strong>ser Einschätzung der Rolle des Nichtbewussten für <strong>die</strong> Willensgemeinschaft<br />

folgert <strong>Nohl</strong>, an Lagarde <strong>und</strong> <strong>die</strong> deutsche Romantik anknüpfend, <strong>die</strong> Erziehung zur<br />

deutschen Sprache als wesentliche Gr<strong>und</strong>form der Erziehung. Denn ein „deutsches<br />

Herz“, so <strong>Nohl</strong>, kann ja nicht vererbt werden, es muss unbewusst <strong>und</strong> bewusst erzogen<br />

werden (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 62).<br />

„Der nationale Pädagoge, der heute unser Volk gestalten will, wird ein offenes Verständnis<br />

für <strong>die</strong> Spannung haben müssen, <strong>die</strong> hier besteht. Sein Aufbau der Nation<br />

wird nur gelingen, wenn er <strong>die</strong> volle Einsicht in <strong>die</strong>se unbewusste Wesensgemeinschaft<br />

eines Volkes, ihre Kräfte <strong>und</strong> Bindungen besitzt, <strong>die</strong> überall <strong>die</strong> Voraussetzung<br />

der bewussten Organisation sind <strong>und</strong> deren wichtigste eben <strong>die</strong> gemeinsame Sprache<br />

ist.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 62)<br />

So betont er <strong>die</strong> Muttersprache, <strong>die</strong> Familie <strong>und</strong> eben <strong>die</strong> Mutter als Träger <strong>die</strong>ses für<br />

ihn entscheidenden Faktors für <strong>die</strong> Erziehung von Kindern im Alter bis zu vier Jahren.<br />

Daraus folgert <strong>Nohl</strong> <strong>die</strong> entscheidende Bedeutung der Kindergärten <strong>und</strong> der frühkindlichen<br />

Erziehung zum Deutschtum durch <strong>die</strong> Sprache. Um <strong>die</strong>sen Gedanken zu verdeutlichen,<br />

greift <strong>Nohl</strong> noch einmal zu einem Zitat von Schmidt-Rohr:<br />

„Schmidt-Rohr formuliert: ‚Die entscheidenden Siege der Weltgeschichte werden in<br />

den Ehebetten <strong>und</strong> auf den Kinderspielplätzen errungen. Das Ehebett entscheidet<br />

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