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Herman Nohl und die NS-Zeit

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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />

Mit seinem 1982 erschienenen Überblick „Die Geschichte der Pädagogik. Von der<br />

Aufklärung bis zur Gegenwart“ 203 hat sich Herwig Blankertz eine große Aufgabe<br />

gestellt. Er beginnt ganz bewusst mit der Aufklärung, mit jener Aufklärung, <strong>die</strong> der<br />

Französischen Revolution vorausging, den französischen Enzyklopädisten <strong>und</strong> stellt<br />

klar, dass Kant hier nur nachfolgt. Am Ende des dritten Kapitels <strong>und</strong> im vierten Kapitel<br />

behandelt Blankertz <strong>die</strong> Frage der Geisteswissenschaften nach Hegels Tod, wobei er<br />

Wilhelm Dilthey aus gutem Gr<strong>und</strong> zunächst in den Mittelpunkt rückt.<br />

Der nächste große Einschnitt ist für Blankertz <strong>die</strong> „Pädagogik in nationalistischer<br />

Verstrickung“ (Blankertz 1982, S. 224 ff). Die uneingeschränkte Unterstützung des<br />

Nationalismus durch den Großteil der Pädagogen <strong>und</strong> Erziehungswissenschaftler der<br />

damaligen <strong>Zeit</strong> beruht laut Blankertz auf einer „Frontstellung der deutschen Kultur<br />

gegen <strong>die</strong> westliche Zivilisation“ (Blankertz 1982, S. 227). Hier nennt er neben Spranger<br />

<strong>und</strong> Litt auch <strong>Nohl</strong>. Diese konformistische Haltung – keinesfalls auf <strong>die</strong> Pädagogik<br />

begrenzt (Blankertz erinnert an Thomas Mann: „Betrachtungen eines Unpolitischen“ ) –<br />

stellte er den politischen Nonkonformisten Friedrich Wilhelm Foerster gegenüber, einen<br />

der ganz wenigen geistig Wachgebliebenen, <strong>die</strong> auch im chauvinistischen Taumel des<br />

Ersten Weltkriegs „keinen Augenblick lang dem Nationalismus verfielen“ (Blankertz<br />

1982, S. 227). Mit anderer Geschichtsschreibung brechend erinnert Blankertz nachdrücklich<br />

daran, dass Förster wegen seiner Kritik an Kaiser Wilhelm II. eine dreimonatige<br />

Haftstrafe wegen Majestätsbeleidigung verbüßen musste; er wurde 1933 von der<br />

<strong>NS</strong>-Regierung ausgebürgert, nachdem er nicht aufgehört hatte, an <strong>die</strong> Mitschuld der<br />

deutschen Intellektuellen am Ersten Weltkrieg zu erinnern.<br />

losgelöst von der aktuellen Debatte <strong>und</strong> losgelöst vom Entstehungskontext der Schriften <strong>Nohl</strong>s den<br />

Begriff des Lebens, <strong>die</strong> Dialektik von Theorie <strong>und</strong> Praxis in allgemeiner Form vorstellt.<br />

Selbst Helmut Seiffert, der <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> durchaus wohlwollend gegenübersteht, kommt in seinem 1980<br />

erschienenen Beitrag „<strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong> oder Kritik aus dreißig Jahren“ (in: Neue Sammlung, 20. Jg. (1980),<br />

Heft 3, S. 280–283) nicht umhin festzustellen, dass „<strong>Nohl</strong>s Schriften in wissenschaftsmethodischer<br />

Hinsicht in der Tat recht anspruchslos waren: ohne genaue Zitate, ohne sichtbar umfassende Materialverarbeitung.<br />

Und von seinen großartigen geistesgeschichtlichen Durchblicken wusste man im Gr<strong>und</strong>e auch<br />

nie genau, wie weit sie wirklich seinem Kopfe entsprungen – oder nicht viel mehr Diltheysches Gedankengut<br />

waren.“ (S. 282) Seiffert, der in einer Fußnote auch darauf hinweist, dass Theo Schulze mit seiner<br />

Ersetzung des Begriffs „deutsch-national“ durch den Begriff „völkisch“ <strong>Nohl</strong> eher noch härter angeht,<br />

bemerkte, dass <strong>Nohl</strong> vor 1933 „nur durch seine persönliche Erscheinung gewirkt haben kann, denn seine<br />

großen systematischen Bücher waren ja erst nach 1933 erschienen – bis dahin gab es eigentlich nur<br />

Aufsätze <strong>und</strong> kleine Schriften.“ (S. 281)<br />

203<br />

Blankertz, Herwig: Die Geschichte der Pädagogik. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Wetzlar<br />

1982.<br />

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