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Herman Nohl und die NS-Zeit

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II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

Bei dem von <strong>Nohl</strong> gelobten <strong>und</strong> kritisierten Aufsatz Flitners 103 geht es in der Tat um so<br />

etwas wie demokratische Bildung, sozusagen ein Relikt aus längst vergangenen Tagen.<br />

104 Der einfache Gedanke, dass <strong>die</strong> Regierten ja <strong>die</strong> Regierenden eigentlich im<br />

demokratischen Sinne tragen müssten (<strong>und</strong> nicht ertragen, wie Flitner noch halbherzig<br />

einschränkt), wird hier von <strong>Nohl</strong> aus antidemokratischen Gr<strong>und</strong>positionen heraus in der<br />

Kontinuität seiner Theorie der Pädagogik <strong>und</strong> seiner politischen Positionierung nicht<br />

nur abgelehnt, sondern an einem ihm nahestehenden Kollegen demonstrativ angegriffen<br />

<strong>und</strong> abgewertet. Das Geistige müsse hinzukommen, so <strong>Nohl</strong>:<br />

68<br />

„Wir werden über <strong>die</strong>se Geistigkeit ja noch ausführlich reden, es bleibt aber dabei,<br />

dass der Typus mit seiner Zucht <strong>und</strong> Geb<strong>und</strong>enheit <strong>die</strong> Voraussetzung aller wahren<br />

geistigen Entwicklung sein muss. Der Schritt geht nicht vom geistigen Reichtum zum<br />

Typus, sondern immer umgekehrt.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 91)<br />

<strong>Nohl</strong> ist also für <strong>die</strong>se Gr<strong>und</strong>legung <strong>und</strong> Reihenfolge. Seine Mahnung bezieht sich<br />

darauf, dass Goethe, Schiller, eben „das Geistige“ nicht wegfallen dürfe. Er schreibt<br />

weiter:<br />

„Was man nun aber weiter sehen muss, ist, dass ein solcher Typus nicht bloß ein<br />

festes System von normalen Gewohnheiten ist, wenn auch <strong>die</strong> Gewöhnung hier das<br />

entscheidende Bildungsmittel sein wird – auch das hat Plato schon gesehen, <strong>und</strong><br />

unsere Militärerziehung hat das seit Jahrh<strong>und</strong>erten geübt –, sondern immer eine<br />

Geistigkeit voraussetzt, ein Ideal <strong>und</strong> einen Glauben. Gewohnheiten allein schaffen<br />

keine wahre Form.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 92)<br />

<strong>Nohl</strong> wendet sich nun den Mythen <strong>und</strong> Symbolen zu. Hier bemüht er wieder <strong>die</strong> Großen<br />

der Geistesgeschichte. Nietzsches These, dass <strong>die</strong> großen Masseninstinkte <strong>die</strong> „eigentlichen<br />

Träger <strong>und</strong> Hebel der Weltgeschichte“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 93) seien, ist<br />

nur eine Brücke zur angeblich notwendigen Mythenbildung als Teil des „heroischen<br />

nationalen Ethos“, den er im Spannungsverhältnis zur Wissenschaft bei Dilthey verortet<br />

(<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 94). 105 <strong>Nohl</strong> ruft Sokrates <strong>und</strong> Platon, Cato <strong>und</strong> Rousseau<br />

103 Dieser Aufsatz erschien in der <strong>Zeit</strong>schrift „Die Erziehung“, deren Mitherausgeber Flitner war: Flitner,<br />

Wilhelm: Gentleman-Ideal <strong>und</strong> Gentleman-Erziehung. Eine Besprechung von Hoylers gleichnamigem<br />

Buch (Leipzig 1933), in: Die Erziehung. Monatsschrift für den Zusammenhang von Kultur <strong>und</strong> Erziehung<br />

in Wissenschaft <strong>und</strong> Leben, 8. Jg. (1932/33), Heft 12, (September 1933), S. 711–718.<br />

104 Die Abrechnung <strong>Nohl</strong>s mit Flitner aus der platonischen „Führerposition“ heraus <strong>und</strong> unter Berufung<br />

auf Adolf Hitler ist ein in den bisherigen Debatten über <strong>die</strong>se Vorlesung weitgehend übergangener Aspekt<br />

(mit Ausnahme von Michael Grans Stu<strong>die</strong>, der am Rande darauf eingeht).<br />

105 Bereits 1932 im Vorwort zu dem Dilthey-Sammelband „Von Deutscher Dichtung <strong>und</strong> Musik“ schreibt<br />

<strong>Nohl</strong> über <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>n Diltheys zur Geschichte der Pädagogik: „Die Bildungsgeschichte der Völker wird<br />

dort verstanden aus dem polaren Verhältnis ihres nationalen Ethos <strong>und</strong> des Fortschritts der Wissenschaften,<br />

<strong>und</strong> Dilthey hat damals bereits den Versuch gemacht, <strong>die</strong> ‚Heroenzeit des germanischen Geistes‘, in

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