Herman Nohl und die NS-Zeit
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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />
In der 1975 erschienenen Dissertation „Die Vermittlung zwischen Theorie <strong>und</strong> Praxis in<br />
der deutschen Pädagogik von Kant bis <strong>Nohl</strong>“ 185 von Jürgen Oelkers wird nach Litt <strong>und</strong><br />
Spranger auch <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s Verhältnis von Theorie <strong>und</strong> Praxis im Kontext philoso-<br />
phiegeschichtlicher Überlegungen von Kant <strong>und</strong> Schleiermacher, aber auch Herbart <strong>und</strong><br />
Dilthey vorgestellt. Auf knapp 40 Seiten referiert Oelkers hauptsächlich <strong>Nohl</strong>s Habilitationsschrift<br />
von 1908, aber auch dessen weitere gr<strong>und</strong>legende philosophischtheoretische<br />
Schriften als Anwendung von Diltheys Philosophie auf das Gebiet der<br />
Pädagogik. Der Begriff des Lebens bei <strong>Nohl</strong> (in philosophischer Hinsicht) wird, so<br />
Oelkers, auf das Paradigma der „Deutschen Bewegung“ übertragen. In deren „Leben“<br />
finden sich pädagogische Gr<strong>und</strong>einsichten wieder. <strong>Nohl</strong> sei „der erste bedeutende<br />
Geschichtsschreiber der Reformpädagogik“ (S. 323). Oelkers arbeitet <strong>Nohl</strong>s Distanz, ja<br />
Ablehnung zu Einzelwissenschaften heraus <strong>und</strong> betont, bei allem Verständnis für<br />
„<strong>Nohl</strong>s Warnung vor der Hybris der Wissenschaft“ (S. 335), dass <strong>Nohl</strong> im schulischen<br />
Bereich <strong>die</strong> „K<strong>und</strong>e“ in den Gegensatz zur Theorie der Wissenschaft stelle (S. 327).<br />
Trotz gewisser kritischer Distanz bewegt sich <strong>die</strong>se Schrift Oelkers’ durchaus noch im<br />
Rahmen der üblichen <strong>Nohl</strong>-Rezeption <strong>die</strong>ser <strong>Zeit</strong>spanne. Insbesondere ist charakteristisch,<br />
dass mit einer gewissen Systematik <strong>die</strong> <strong>Zeit</strong>punkte der Abfassung der Schriften<br />
<strong>Nohl</strong>s <strong>und</strong> ihr politischer Kontext konsequent ausgeblendet werden.<br />
In Hans Jürgen Finckhs Dissertation „Der Begriff der ‚Deutschen Bewegung‘ <strong>und</strong> seine<br />
Bedeutung für <strong>die</strong> Pädagogik <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s“ 186 von 1977 sticht zunächst das Vorwort<br />
Pädagogik gegeben: <strong>die</strong> Ursprünge der Debatte vor <strong>und</strong> in der Weimarer Republik, <strong>die</strong> Ablehnung der<br />
pädagogischen Autonomie in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Fortsetzung der Debatte nach 1945. Gerade widersprüchliche<br />
Äußerungen <strong>Nohl</strong>s in der Frage der pädagogischen Autonomie gegenüber dem Staat (nicht<br />
Parteien) <strong>und</strong> gegenüber der Religion (nicht Konfession) werden nicht auf den Prüfstand gestellt <strong>und</strong> im<br />
Detail diskutiert. Die reale Bedeutung der pro-nationalsozialistischen Schriften <strong>Nohl</strong>s spielt in <strong>die</strong>ser<br />
Publikation keine Rolle.<br />
In <strong>die</strong> selbe Kategorie ist auch <strong>die</strong> im selben Jahr erschienene Dissertation „Die Bedeutung der religiösen<br />
Dimension im Denken <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s unter besonderer Berücksichtigung seiner Pädagogik“ (München<br />
1974) von Michael Lang einzustufen, <strong>die</strong> <strong>Nohl</strong>s Gedanken der pädagogischen Autonomie zwar politisch<br />
vertritt, andererseits aber nicht zu Unrecht darauf hinweist, dass <strong>Nohl</strong>s pädagogische Autonomie keine<br />
Autonomie von der Religion ist, auch wenn eingeschränkt wird, dass ihm „der Zugang zur christlichen<br />
Offenbarung“ (S. 367) nicht so recht gelungen sei.<br />
185 Oelkers, Jürgen: Die Vermittlung zwischen Theorie <strong>und</strong> Praxis in der deutschen Pädagogik von Kant<br />
bis <strong>Nohl</strong>. Eine ideengeschichtliche Untersuchung, Hamburg 1975.<br />
186 Finckh, Hans Jürgen: Der Begriff der „Deutschen Bewegung“ <strong>und</strong> seine Bedeutung für <strong>die</strong> Pädagogik<br />
<strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s (Europäische Hochschulschriften, Reihe 11: Pädagogik, Band 41), Frankfurt am<br />
Main/Bern/Las Vegas 1977.<br />
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