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Herman Nohl und die NS-Zeit

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III. Nach 1945<br />

Dass es nicht um ein „Beschimpftwerden ihres Volkes“ geht, sondern um <strong>die</strong> Analyse<br />

der Verbrechen der <strong>NS</strong>-Herrschaft, <strong>die</strong> dazu führte, dass <strong>die</strong> deutsche Bevölkerung in<br />

ihrer großen Mehrheit auf Verachtung <strong>und</strong> Ablehnung stieß, ist ein Aspekt, den zu<br />

analysieren <strong>Nohl</strong> für nicht nötig hält.<br />

<strong>Nohl</strong> folgert über <strong>die</strong> Rolle des Pädagogen:<br />

„Der Pädagoge steht hier vor einer schwierigen Aufgabe. Predigt er <strong>die</strong> Demokratie,<br />

den Pazifismus, den Internationalismus, so findet er taube Ohren <strong>und</strong> geheime leidenschaftliche<br />

Abneigung. Er wird für eine ges<strong>und</strong>e Entwicklung <strong>die</strong>ses Nationalgefühls<br />

sorgen müssen, wird ihm, wo das noch nötig ist, <strong>die</strong> Giftzähne des Egoismus<br />

ausziehen müssen <strong>und</strong> ihn nach innen wenden, auf <strong>die</strong> Höherbildung des deutschen<br />

Geistes, wird Liebe zu unserem schönen Land, seiner Sprache, seiner Musik, seiner<br />

Dichtung <strong>und</strong> Philosophie lehren <strong>und</strong> alle Kräfte aufrufen, um unser Volk wieder<br />

aufzubauen in Treue zu allem Großen <strong>und</strong> Edelen in der Vergangenheit. Das wird<br />

sich dann von selbst verbinden mit einem echten Humanismus, der jedem fremden<br />

Volk mit Ehrfurcht begegnet <strong>und</strong> für das Wohl der Menschheit arbeitet.“ (<strong>Nohl</strong>: Gegenwärtiges<br />

Deutschland, 1947, S. 259, Hervorhebungen im Original)<br />

Hierbei sind folgende Gesichtspunkte bemerkenswert: Es soll nicht bestritten werden,<br />

dass <strong>Nohl</strong> vermutlich doch realistisch das Ausmaß der <strong>NS</strong>-Indoktrination der Jugend in<br />

seinen Worten erfasst hat. Seine Schlussfolgerung jedoch, als gelte es nur hier <strong>und</strong> da<br />

einige Giftzähne auszuziehen, verkennt den Zustand des sogenannten „Nationalgefühls“<br />

direkt nach 1945. Auch <strong>die</strong> Metapher von der „ges<strong>und</strong>en Entwicklung“ erinnert mehr an<br />

das „ges<strong>und</strong>e Volksempfinden“, als dass mit ihr rational erklärt werden könnte, dass es<br />

eigentlich nicht um „Nationalgefühl“, sondern um Nationalbewusstsein gehen müsste<br />

im Sinne eines wirklichen Bewusstseins: eines gebildeten Bewusstseins über Geschichte<br />

<strong>und</strong> Gegenwart Deutschlands.<br />

Zudem: Apodiktisch wird hier von <strong>Nohl</strong> ein Automatismus zwischen „Nationalgefühl“<br />

<strong>und</strong> „Humanismus“ konstruiert, für den es weder in der Geschichte noch in der damaligen<br />

Gegenwart einen einzigen Anhaltspunkt argumentativer Art geben konnte <strong>und</strong><br />

kann.<br />

Von Interesse ist auch, wie <strong>Nohl</strong> auf den Prozess der notwendigen Entnazifizierung<br />

eingeht. Für <strong>Nohl</strong> ist <strong>die</strong> Entnazifizierung keine Notwendigkeit, sondern eins von<br />

mehreren „Inferno(s) des Alltags“ (<strong>Nohl</strong>: Gegenwärtiges Deutschland, 1947, S. 260).<br />

Drei Infernos beschreibt er: „Hunger <strong>und</strong> Kälte“, „das moralische Unglück des schwarzen<br />

Marktes mit seinen gefährlichen Verlockungen“ <strong>und</strong> „<strong>die</strong> Entnazifizierung“ (<strong>Nohl</strong>:<br />

Gegenwärtiges Deutschland, 1947, S. 261).<br />

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