Herman Nohl und die NS-Zeit
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IV. Zum Forschungsstand über <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong><br />
Form des deutschen Menschentums“, als Wurzel <strong>die</strong>ser Akzentverschiebung (Lingelbach<br />
1979, S. 43 f).<br />
Lingelbach war 1970 wohl der erste, der das Zitat <strong>Nohl</strong>s aus dem Jahr 1932 („Was <strong>die</strong><br />
Jugend heute am Nationalsozialismus begeistert <strong>und</strong> jeder Erzieher in ihm bejahen<br />
muss…“) aufgegriffen hat <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> pro-nationalsozialistischen Formulierungen im<br />
Nachwort der 1935 erschienenen „Pädagogischen Bewegung“ hingewiesen hat (Lingelbach<br />
1979, S. 44). Für Lingelbach bestand „kein Zweifel, dass <strong>Nohl</strong> den Charakter des<br />
politischen Regimes, dem <strong>die</strong> Erziehung nun ausgeliefert war, in der Frühphase des<br />
‚Dritten Reiches‘ noch völlig verkannte“ (Lingelbach 1979, S. 45). Lingelbach ordnet<br />
<strong>Nohl</strong> politisch in <strong>die</strong> Gruppe der Konservativen um Armin Mohler ein, in <strong>die</strong> Gruppe<br />
der Freikorps <strong>und</strong> rechts stehenden bürgerliche Parteien <strong>und</strong> belegt <strong>die</strong>s anhand der von<br />
<strong>Nohl</strong> als Vorbild zitierten Autoren (Lingelbach 1979, S. 45 ff).<br />
1973 geht Bruno Schonig in seiner Dissertation „Irrationalismus als pädagogische<br />
Tradition“ 181 im Rahmen seiner Kritik des Irrationalismus insgesamt auch auf <strong>die</strong><br />
pädagogische Theorie <strong>Herman</strong> <strong>Nohl</strong>s ein. Von Adornos „Erziehung nach Auschwitz“<br />
beeinflusst (S. 12) kritisiert Schonig <strong>Nohl</strong>s Theorien als im Kern irrational. <strong>Nohl</strong>s<br />
historische Darstellung der Reformpädagogik bezeichnet Schonig als „Enthistorisierung“<br />
(S. 46), da das Schema eines Drei-Phasen-Verlaufs an Stelle konkreter Untersuchungen<br />
der Geschichte übergestülpt würde (S. 46 f). Insbesondere kritisiert er <strong>Nohl</strong>s<br />
Aussage, dass „eine allgemeingültige Theorie der Bildung“ möglich sei, „<strong>die</strong> für alle<br />
<strong>Zeit</strong>en <strong>und</strong> alle Völker“ 182 gelte (S. 48). Sehr genau erkennt Schonig <strong>die</strong> „Ideologisierung<br />
der Nationalpädagogik“ (S. 57) <strong>und</strong> klärt auf, dass <strong>Nohl</strong>s weitertreibende Frage<br />
nach dem Gehalt der Reformpädagogik sich auf das „neue Ideal vom deutschen Menschen“<br />
(S. 63), 183 also auf Nationalismus konzentriert. Eine wirkliche Auseinandersetzung<br />
mit <strong>Nohl</strong>s Verhältnis zum Nationalsozialismus wird in <strong>die</strong>ser ansonsten <strong>Nohl</strong><br />
erstmals scharf kritisierenden Dissertation nicht durchgeführt. 184<br />
181<br />
Schonig, Bruno: Irrationalismus als pädagogische Tradition. Die Darstellung der Reformpädagogik in<br />
der pädagogischen Geschichtsschreibung, Weinheim/Basel 1973.<br />
182<br />
<strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Die pädagogische Bewegung in Deutschland <strong>und</strong> ihre Theorie, Frankfurt am Main<br />
1935, S. 125.<br />
183<br />
<strong>Nohl</strong>, <strong>Herman</strong>: Pädagogik aus dreißig Jahren, Frankfurt am Main 1949, S. 21.<br />
184<br />
In der 1973 von Gertrud Schiess veröffentlichten Dissertation „Die Diskussion über <strong>die</strong> Autonomie<br />
der Pädagogik“ (Weinheim/Basel 1973) wird im Anschluss an <strong>die</strong> Dissertation von Bartels, <strong>die</strong> Schiess<br />
ausdrücklich lobend erwähnt, ein Überblick in drei Etappen über <strong>die</strong> Debatte zum Thema Autonomie der<br />
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