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Herman Nohl und die NS-Zeit

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II. Publikationen in der <strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong><br />

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einzelnen, sondern das Wohl einer zeitlich dauernden Gemeinschaft als solcher verfolgt.<br />

Das Buch von Ploetz erschien 1895 unter dem Titel ‚Gr<strong>und</strong>linien einer Rassenhygiene,<br />

1. Teil, Die Tüchtigkeit unserer Rasse <strong>und</strong> der Schutz der Schwachen‘,<br />

Schallmayers Buch ‚Vererbung <strong>und</strong> Auslesung‘ 1903. Auch Ploetz versteht unter<br />

Rasse nicht <strong>die</strong> anthropologische Rasse, sondern <strong>die</strong> ‚Vitalrasse‘, wie er sagt, oder<br />

<strong>die</strong> biologische Rasse: <strong>die</strong> Erhaltungs- <strong>und</strong> Entwicklungseinheit des Lebens. Rassenhygiene<br />

ist <strong>die</strong> Wissenschaft von den optimalen Bedingungen der Erhaltung <strong>und</strong> Steigerung<br />

des Erbstromes der sowohl durch <strong>die</strong> anthropologischen Rassen wie durch<br />

<strong>die</strong> Völker fließt. Schallmayer spricht im Unterschied zu Rassenhygiene von Rassehygiene:<br />

sie soll der Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Tüchtigkeit des Volkskörpers <strong>die</strong>nen durch Verbesserung<br />

seiner Erbanlagen, was durch starke Vermehrung von Personen mit guter<br />

Erbanlage <strong>und</strong> durch schwache Vermehrung der erblich Minderwertigen erreichbar<br />

sei. Das Entscheidende in <strong>die</strong>sen Büchern ist im Gegensatz zu der Milieu-Theorie des<br />

Larmarckismus der Erb- <strong>und</strong> Auslesegedanke: das Glück eines Volkes hängt nicht<br />

nur von seinen glücklichen Lebensbedingungen ab, sondern mehr noch von seinen<br />

guten Erblinien. Ploetz gründete <strong>die</strong> ‚Deutsche Gesellschaft für Rassenhygiene‘.<br />

Das Organ der Bewegung wurde das ‚Archiv für Rassen- <strong>und</strong> Gesellschaftsbiologie<br />

einschließlich Rassen- <strong>und</strong> Gesellschaftshygiene‘, das Ploetz führt. Daneben wäre<br />

<strong>die</strong> <strong>Zeit</strong>schrift ‚Eugenik‘ zu nennen, <strong>Zeit</strong>schrift für Erblehre <strong>und</strong> Erbpflege, <strong>die</strong> Ostermann<br />

im Verein mit den modernen Biologen Fischer, Lenz, Muckermann, Rudin<br />

<strong>und</strong> Verschuer herausgibt.“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 12 f., Hervorhebungen im<br />

Original)<br />

In <strong>die</strong>ser in sich stimmigen Zusammenfassung verschiedener Akzente in den Werken<br />

unterschiedlicher Rassetheoretiker betont <strong>Nohl</strong> zu Beginn <strong>die</strong>ser Passage <strong>und</strong> durchaus<br />

in seinem Sinne „<strong>die</strong> neue Front der Eugenik <strong>und</strong> Rassenhygiene, <strong>die</strong> vom Ganzen des<br />

nationalen Volkskörpers ausgeht“.<br />

<strong>Nohl</strong> folgt den Thesen im weiteren Verlauf seiner Vorlesung, beschreibt <strong>die</strong> Gesetze der<br />

Vererbung nach Mendel („Auch wo sich Rassen mischen, ist nicht <strong>die</strong> eine ‚stärker‘ als<br />

<strong>die</strong> andere“; <strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 14) <strong>und</strong> <strong>die</strong> Vererbungsquoten bei Erbkrankheiten,<br />

betont den „Auslesegedanken Darwins“ (<strong>Nohl</strong>: Vorlesung, 1933/34, S. 15) <strong>und</strong><br />

doziert, sich auf Muckermann 93 berufend:<br />

93 Herrmann Muckermann war führend beteiligt am Zustandekommen des „Eugenik-Gesetzes“ 1933. Am<br />

2. Juli 1932 stellte Muckermann auf der Sitzung des Preußischen Landesges<strong>und</strong>heitsrates zum Thema<br />

„Die Eugenik im Dienste der Volkswohlfahrt“ seinen Entwurf für ein Eugenik-Gesetz vor. Diese Sitzung<br />

setzte ein Gesetzgebungsverfahren in Gang, das am 14. Juli 1933 im „Gesetz zur Verhütung erbkranken<br />

Nachwuchses“ seinen Abschluss fand. Der Entwurf Muckermanns war konsensbildend für <strong>die</strong> an der<br />

Sitzung Beteiligten. Anwesend auf <strong>die</strong>ser Sitzung waren neben den Rassehygienikern bzw. Eugenikern<br />

Baur, Bluhm, Fischer <strong>und</strong> eben Muckermann <strong>die</strong> Sozialhygieniker Chajes, Harmsen <strong>und</strong> Scheumann, der<br />

Bevölkerungswissenschaftler <strong>und</strong> Präsident des Statistischen Reichsamts Friedrich Burgdörfer, der<br />

katholische Moraltheologe Joseph Mayer, <strong>die</strong> Psychiater Karl Bonhoeffer, Hübner, Lange, Kurt Pohlisch<br />

(ein späterer „Euthanasie“-Gutachter), Emil Sioli <strong>und</strong> Otmar von Verschuer – <strong>und</strong> <strong>die</strong> Juristen Ebermayer,<br />

Heimberger <strong>und</strong> Kohlrausch sowie der Landtagsabgeordnete <strong>und</strong> spätere Reichsges<strong>und</strong>heitsführer<br />

Leonardo Conti von der <strong>NS</strong>DAP. 1937 wurden wohl angesichts zunehmender Widersprüche zwischen

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